Imperium
Zerrüttung, die der Aussatz bei ihm angerichtet, wenig zu tun, es gab keinen kausalen Zusammenhang zwischen seiner krankheitsbedingten Irritabilität und dem Judenhaß, nichtsdestotrotz sprudelt es munter aus ihm heraus; wieviel Schuld sich das mosaische Volk ihm gegenüber doch aufgeladen habe, welche philosophischen Machenschaften bestimmter Scharlatane diesen und jenen Irrweg erst möglich gemacht hätten, daß man sich an höchster Stelle gegen ihn verschworen habe, ja, es sei ein zionistisches Komplott, das da fabriziert worden sei, der König von England sei involviert, Hahl, Queen Emma (der er noch, so erinnert er sich erbost, einen gigantischen Geldbetrag schuldig war) und andere, und daß die ganze Misere des Scheiterns seiner begnadeten Utopie denjenigen anzukreiden sei, die die Zügel in ihren raffgierigen, vom Mammon bis zur Unkenntlichkeit verkrümmten Händen hielten.
Während dieser verrückten Suada Engelhardts schleicht Jung Makeli fort, unbemerkt. Er hat genug von den Weißen und ihrem Irrsinn und dieser Insel. Zwei Finger hat er geopfert, nun reicht es. Er wickelt sich ein Tuch um die Lenden, richtet den Bug eines Segelkanus Richtung Rabaul, und als er Kabakon verläßt, weiß er, daß es für immer ist, und er muß weinen. Slütter kehrt dem wütend schäumenden Engelhardt ebenfalls den Rücken zu, läuft wortlos zum Strand und marschiert durch die Brandung wieder hinaus zur Barkasse. Er hat den armen, von der canard einer jüdischen Weltverschwörung besessenen Irrsinnigen nicht umbringen können, es ist einfach so, und Hahl wird das schlucken müssen, und wenn er ihm Pandora wegnehmen wolle, dann könne er ihm eventuell etwas anderes anbieten, sein eigenes Leben vielleicht.
Aber das Mädchen verhält sich natürlich nicht so, wie Slütter es gerne gehabt hätte, als hätte er sie einfrieren können in die ewig andauernde Gegenwart, unveränderlich bis ans Ende aller Zeiten; während Slütter auf Kabakon ist, hat sie sich an Apiranas Angebot auf der Jeddah erinnert und ihn gebeten, er möge sie doch nach seinem Belieben tätowieren mit der Bildergeschichte des Sturmes, am besten auf dem Rücken, da sei viel Platz, und nachher könne Slütter soundso nichts mehr dagegen unternehmen.
Sie zieht Kleid und Unterwäsche aus und legt sich nackend mit dem Gesicht nach unten auf das Vorderdeck des Frachtschiffes, und während oben am strahlend blauen Himmel Schwalben auf und nieder stoßen, präpariert Apirana die traditionellen Knochennadeln, gibt ihr ein Stück Tau zum Draufbeißen und beginnt, die mit schwarzer Tinte versehenen Spitzen in die Rückenhaut des jungen Mädchens einzustanzen.
Er fährt, als sei er ein dunkler Pygmalion, mit der sachkundigen Hand probend über jene Stellen, an denen er dräuende, schwarze Wolken zu malen gedenkt, grausige Kraken, die aus den Wellentälern auftauchen. Rechts, zur Schulter hin sollen die Fregattvögel entstehen, die das Ende des Orkans bedeuteten, links unten beim Kreuzbein ihr kleines, bedrohtes Schiff, darauf, in Miniatur, so winzig, daß sie kaum noch zu erkennen sind, Pandora selbst, Apirana, November und Slütter, und schließlich in der Mitte, zwischen den unter seiner sanften Berührung erzitternden Schulterblättern, der Sturm selbst: das Gebilde eines phantastischen Ungetüms aus Urzeiten, scharfkantige Zähne bleckend, sich heftig und ungeheuerlich windend, schöpft das Monstrum mit schuppigen Pranken Unmengen von Wasser aus dem Ozean, um die unselige Jeddah zum Kentern zu bringen.
Als Slütter wieder Rabaul erreicht, ist das Kunstwerk des Maori vollbracht, Apirana hat Pandoras blutenden Rücken sorgfältig abgetupft und mit einem Bettlaken fest verbunden, fast gleichzeitig nun segelt Makelis kleines Kanu in die Blanchebucht, man kommt nicht umhin zu sagen, daß sich die Ereignisse überschlagen. Slütter trifft auf Hahl, dieser hat natürlich längst, Realpolitiker, der er ist, die englische Polizei benachrichtigt, Pandora stehe unter seiner Obhut zur Abholung und Verbringung nach Australien bereit. Diesem Verrat hat Slütter nur seinen eigenen Verrat entgegenzusetzen, Engelhardt nicht getötet zu haben, worauf Hahl mit den Schultern zuckt, dem Kapitän eine Zigarette anbietet und nicht ohne Lakonie meint, es sei jetzt sowieso alles Makulatur, da Krieg drohe - wenn er es richtig verstanden habe, sogar ein Weltkrieg, bei dem schon noch genug Unheil auf die Menschen herabregnen werde, da sei es doch ganz achtbar, wenn man sich nicht auch noch
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