In aller Unschuld Thriller
gefehlt!«
»Ja, so ist er«, sagte Liska. »Immer zur Stelle, wenn man ihn nicht braucht, unser lieber Sam.«
Kathleen Casey, Krankenschwester und der Zerberus in der Notaufnahme, schüttelte lachend den Kopf, als sie auf die beiden zutrat. »Stimmt. Aber immer noch besser, als wenn ich mich mit dem Volk da hinten abgeben muss.«
Sie warf einen Blick zum Wartebereich, wo sich Reporter und Kameraleute wie ein Schwarm Aasgeier auf den Stühlen niedergelassen hatten. »Lieber Gott, bewahre uns vor den Medien und schenke uns unsere gewohnten Besoffenen jede Nacht.«
Wie auf ein Stichwort hin erhoben sich jetzt ein paar der Reporter, die Kovac entdeckt hatten, und steuerten auf ihn zu.
»Kovac!«
»Detective!«
»Haben Sie schon irgendwelche Hinweise?«
»Kennen Sie das Motiv für den Überfall?«
»Hat es irgendetwas mit der Entscheidung im Fall Dahl zu tun?«
Die üblichen Fragen. Fragen, von denen sie genau wussten, dass er sie nicht beantworten würde. Kovac hob abwehrend eine Hand. »Kein Kommentar.«
Schwester Casey trat mit drohendem Gesichtsausdruck auf sie zu und verscheuchte sie mit heftigen Armbewegungen. »Zurück mit euch, bevor ich meine Elektroschockpistole hole.« Ihr war keine menschliche Regung fremd. Kovac nannte sie nur die Eiserne Lady. Sie war gerade mal eins sechzig groß, trug einen Helm aus rotbraunem Haar und hatte ein freundliches, fast mütterliches Gesicht, das den Leuten Vertrauen einflößte und sie dazu brachte, ihr sogleich ihr Herz auszuschütten.
Kovac kannte sie schon eine halbe Ewigkeit. Sie war seit Urzeiten hier in der Notaufnahme und hatte nur einmal ein kurzes Gastspiel in einer Kleinstadtklinik auf dem flachen Land gegeben, in der Pampa, wie Kovac es bezeichnete. Wenn er es irgendwie vermeiden konnte, bewegte er sich südlich nicht über den Flughafen, östlich den Fluss, westlich den Freeway 459 und nördlich über Downtown hinaus.
»Also, was ist unserem Opfer passiert?«, fragte er, als sie ihr in raschem Tempo einen schmalen Korridor entlang folgten.
»Die Nervensäge von Stationsärztin wird Ihnen alles haarklein berichten«, sagte sie. »Aber kurz gesagt: Jemand hat sie übel zugerichtet.«
»Irgendwelche Anzeichen für eine Vergewaltigung?«, fragte Liska.
»Nein.«
»Ist sie bei Bewusstsein?«
»Ja, aber sie hat nicht viel zu sagen.«
»Wenn das doch nur auch am Nachmittag so gewesen wäre«, murmelte Kovac.
Sie hatten bereits alle von der Entscheidung der Richterin bezüglich des Vorstrafenregisters von Karl Dahl gehört. Carey Moore war eine knallharte Staatsanwältin gewesen, aber seit sie auf dem Richterstuhl saß, hatte sie sich den Ruf erworben, weich wie Pudding zu sein und im Zweifel stets für den Angeklagten zu entscheiden – selbst bei solchen, die es nach Ansicht jedes einzelnen Polizisten in der Stadt nicht verdienten. Viele Polizisten fühlten sich betrogen von ihr.
Die Stationsärztin, die gerade etwas in Moores Krankenakte notierte, sah aus, als habe sie die Highschool als Jahrgangsbeste abgeschlossen – und zwar vorgestern. Sie versank förmlich in ihrem weißen Kittel, die dünnen braunen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, auf der Nase eine Brille mit einem eckigen schwarzen Plastikgestell.
Liska hielt ihr ihre Polizeimarke unter die Nase und fragte ohne einleitende Höflichkeitsfloskeln: »Und? Also, raus damit. Was ist mit ihr? Ich wäre gerne zu Hause, bevor meine Wechseljahre einsetzen.«
Es machte immer Spaß, junge Ärzte zurechtzustutzen, bevor sich ihr Ego aufblies und ihre Menschlichkeit dahinter verschwand.
Diese hier benutzte viele Wörter, für die sie hohe Studiengebühren hatte bezahlen müssen, um ihnen zu erklären, dass ihr Opfer eine leichte Gehirnerschütterung, ein paar gebrochene Rippen und eine Menge schlimmer Prellungen und Blutergüsse davongetragen hatte.
Der Streifenpolizist, der den Notruf entgegengenommen hatte, hatte Kovac und Liska über die Einzelheiten des Überfalls ins Bild gesetzt, als sie den Tatort in Augenschein genommen hatten. Moore war auf dem Weg zu ihrem Auto im Parkhaus neben dem Government Center gewesen. Der Täter hatte sie von hinten angegriffen, zu Boden geschlagen und auf sie eingedroschen. Offensichtliches Tatmotiv: Raub. Wenn er noch etwas anderes vorgehabt haben sollte, hatte er dazu nicht genug Zeit gehabt. Die Alarmanlage von Moores Auto war losgegangen, und der Kerl hatte sich mit ihrer Brieftasche aus dem Staub gemacht.
Kovac sah über den Kopf der Ärztin
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