In aller Unschuld Thriller
lesen. Die Richterin ging steif und humpelte, zwang sich jedoch dazu, die Schultern gerade zu halten. Sie reckte das Kinn in die Höhe und lehnte sich nicht gegen ihren Ehemann, auch wenn sich dieser mittlerweile den Anschein gab, besorgt um sie zu sein.
Kovac hätte viel darum gegeben, ihr Gespräch beim Gang die Treppe hinauf belauschen zu können, aber dafür sprachen sie zu leise. Daher nutzte er die Gelegenheit, sich im Arbeitszimmer umzusehen und nach Hinweisen zu suchen, die ihm etwas über diese Leute verrieten und darüber, wie ihr Familienleben aussah, aber es gab mehr Hinweise darauf, wer ihr Inneneinrichter war.
Das Zimmer schien in erster Linie vom Ehemann genutzt zu werden. Eine Menge elektronischen Spielzeugs – ein großer Flachbildschirm über dem Kamin, eine Stereoanlage, Satellitenradio. Ein paar Urkunden mit Moores Namen darauf.
Kovac fand es bezeichnend, dass weder Familienfotos noch andere persönliche Dinge zu entdecken waren. Es lag kein aufgeschlagener Roman herum, kein Strickzeug. Keine Spielsachen oder Bilderbücher, die der kleinen Lucy gehörten. Auf einem ordentlich aufgeräumten Schreibtisch stand ein offensichtlich teurer, riesiger Flachbildschirm, der zu einem Computer gehörte. In dem Regal dahinter standen Bücher über die Filmindustrie, Biographien über Leute, von denen Kovac zum Teil schon gehört hatte, zum größeren Teil allerdings nicht. Eine Menge Videokassetten.
»Sie hätten sie im Krankenhaus behalten sollen«, sagte David Moore in vorwurfsvollem Ton, als er zurückkehrte.
»Sie wollte nicht«, erwiderte Kovac, nahm eine Videokassette aus dem Regal und tat so, als lese er den Titel. »Sie wollte nach Hause und bei ihrer Familie sein, mit Ausnahme von Ihnen natürlich.«
»Was fällt Ihnen ein!«
»Sie wusste, dass Sie nicht hier waren«, fuhr Kovac fort. »Und sie wollte nicht, dass wir Sie suchen. Wie würden Sie das denn interpretieren?«
»Soweit ich mich erinnere, habe ich ihr nicht gesagt, wo das Geschäftsessen stattfindet«, sagte Moore. »Wir sind beide viel beschäftigte Leute. Da vergisst man manchmal solche Kleinigkeiten.«
»Womit sind Sie denn beschäftigt, Mr. Moore? Und die Geschäftspartner, mit denen Sie unterwegs waren – welche Art Geschäfte betreiben die?«
»Ich bin Dokumentarfilmer. Die Leute, mit denen ich essen war, sind potenzielle Geldgeber für mein nächstes Projekt. Einen Film, in dem ich die Gangster der dreißiger Jahre den Straßengangs von heute gegenüberstellen will.«
»Und warum wollten Sie über diese Leute nicht in Anwesenheit Ihrer Frau sprechen?«, fragte Kovac und trat auf Carey Moores Mann zu. »Warum wollte sie nicht den Rest unseres kleinen Gesprächs mit anhören?«
Moore tat so, als verstünde er nicht, was Kovac meinte. »Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen, Detective. Ich wollte Ihnen nur weiterhelfen, und da ich wusste, dass Sie die Namen brauchen …«
»Aber Sie wollten nicht sagen, wo Sie sich auf einen Cocktail getroffen haben.«
»Das stimmt doch gar nicht.«
»Ach nein?«
Nervös seufzte Moore auf. »Wir haben uns in der Lobby Bar im Marquette getroffen. Daran ist ja wohl nichts Verdächtiges, oder?«
Kovac zuckte die Achseln. »Kommt darauf an. Und in wessen Begleitung waren Sie?«
»Edmund Ivors«, sagte Moore, ohne zu zögern. »Er ist Geschäftsmann. Er hat ein Vermögen mit Multiplex-Kinos gemacht und möchte einen Teil seiner Gewinne wieder an die Branche zurückgeben, indem er talentierten Filmemachern unter die Arme greift.«
»Wie Ihnen.«
»Ja.«
»Sollte ich schon mal von Ihnen gehört haben?«, fragte Kovac, absichtlich rüde.
Ein Muskel an David Moores Wange zuckte. »Das würde mich wundern«, sagte er mit gepresster Stimme. »Sie scheinen mir nicht gerade ein intellektueller Typ zu sein.«
Kovac zog amüsiert eine Augenbraue hoch. »Nette Retourkutsche. Aber ich bin nicht so dumm, wie ich aussehe. Stellen Sie mich also besser nicht auf die Probe.« Er grinste zähnefletschend. »Sie könnten allzu leicht das Nachsehen haben, Dave. Aber immerhin, meine Hochachtung für den tapferen Versuch. Und wer war noch bei dem kleinen Stelldichein dabei?«
Moore schmollte. »Eine Mitarbeiterin von Mr. Ivors. Ms. Bird, äh, Ginnie Bird.«
»Mitarbeiterin?« Kovac runzelte die Stirn. »Ist das dasselbe wie Nichte?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte Moore ungeduldig.
»Sie wissen nicht, was ein Euphemismus ist?«, fragte Kovac. »Dann werde ich es wohl anders
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