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In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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ausgehende, aufnehmen können.«
    Moore ließ sich auf eine riesige Lederottomane sinken, stützte seine Ellbogen auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen. »Wie konnte das nur passieren?«
    »Ihre Frau hat heute eine sehr unpopuläre Entscheidung im Fall Karl Dahl getroffen«, sagte Kovac. »Wussten Sie davon?«
    »Ja, natürlich.«
    Aber es schien ihm nicht wichtig genug zu sein, um auf ein Geschäftsessen zu verzichten und ihr seine Unterstützung zuteil werden zu lassen.
    »Dieser Fall schlägt hohe Wellen, Mr. Moore. Die Leute sind aufgebracht, und viele sind der Meinung, dass Karl Dahl bei lebendigem Leib gehäutet und vor dem Government Center aufgeknüpft werden sollte und dass man dann den Einwohnern dieses Staates noch die Gelegenheit geben sollte, ihn zu steinigen. Ihre Frau hat heute zu seinen Gunsten entschieden, und abends ist der Kerl aus der Haft entflohen. Ein dreifacher Mörder läuft frei herum, und dafür werden die Leute Richterin Moore die Schuld geben, auch wenn sie überhaupt nichts dafür kann.«
    »Er ist entflohen?«, fragte Moore ungläubig. »Glauben Sie, dass er es war, der meine Frau überfallen hat?«
    »Nein«, sagte Kovac. »Aber ich glaube, dass jeder in dieser Stadt sie für die Schutzheilige von Karl Dahl hält, inklusive Karl Dahl selbst.«
    Der Adrenalinstoß ließ langsam nach; Kovac seufzte und stieß sich von der Sessellehne ab. Er zog eine Visitenkarte hervor und ließ sie neben David Moore auf die Ottomane fallen.
    »Ich werde jetzt gehen«, sagte er. Nachdem er alles losgeworden war, was er loswerden wollte.
    Er schüttelte den Kopf über sich selbst, als er in die Nachtluft hinaustrat. Für Männer war das Leben ein einziger großer Pinkelwettbewerb. Es grenzte an ein Wunder, dass die Frauen nicht schon längst die Weltherrschaft übernommen hatten, während die Männer damit beschäftigt waren festzustellen, wer den längsten Schwanz hatte.
    Er winkte den beiden Polizisten in dem Streifenwagen zu, als er zu seinem Wagen ging. Dann drehte er sich noch einmal zum Haus der Moores um, wo hinter einem Fenster im ersten Stock Licht brannte, und fragte sich, wie Carey und David Moore wohl den Rest der Nacht verbringen würden.

14
    Seit jenem schicksalhaften Augustabend vor mehr als einem Jahr, als er das Haus der Familie Haas betreten hatte, hatte Stan Dempsey mit wenigen Ausnahmen nie länger als eine Stunde am Stück geschlafen. Und das bisschen Schlaf wurde von albtraumhaften Bildern und Empfindungen heimgesucht, gegen die er nichts auszurichten vermochte.
    Er hatte schon immer ein zurückgezogenes Leben geführt. War ein so stilles Kind gewesen, dass seine Mitschüler geglaubt hatten, er hätte irgendeinen Dachschaden. Noch nie hatte er einen richtigen Freund gehabt. Nicht mal irgendwelche Kumpel, mit denen er zum Biertrinken oder auf den Sportplatz gegangen wäre, denn für solche Dinge hatte er sich nie interessiert.
    Von Kindheit an hatte er Polizist werden wollen, so einer wie Sergeant Joe Friday aus Polizeibericht . Er hatte Detektivgeschichten verschlungen und sich in seinen Tagträumen ausgemalt, wie er die schwierigsten Fälle löste. Stets hatte er den Täter aufgespürt.
    Er war zur Armee und anschließend aufs College gegangen. Nachdem er die Aufnahmeprüfung für die Polizeiakademie geschafft hatte, hatte er sich mehr ins Zeug gelegt als alle anderen in seiner Klasse. Der Tag, an dem er sein Abschlusszeugnis erhalten hatte, war der schönste Tag seines Lebens gewesen. Übertroffen nur noch von dem Tag, an dem er zum Detective befördert worden war. Sein Traum war Wirklichkeit geworden.
    Dass dieser Traum sich in den grässlichen, blutigen Albtraum, der sein Leben jetzt war, verwandelte, hatte ihn kaputtgemacht. Hatte seinen Lebensmut, sein Selbstwertgefühl, sein Gefühl dafür, wie die Welt eingerichtet sein sollte, zerstört. Als wäre ein riesiger, schwarzer Amboss vom Himmel auf ihn gefallen und hätte sein Inneres zermalmt, so dass all seine bislang wohl geordneten Empfindungen durcheinandergerieten und aus ihm herausquollen, aus seinen Augen, Ohren, seinem Mund, seinen Fingerspitzen.
    Seine Vorgesetzten im Dezernat glaubten, er hätte ein Problem damit, seine Wut zu kontrollieren, er könnte möglicherweise sogar einen Nervenzusammenbruch erleiden. Wenn sie wüssten, was tatsächlich in ihm vorging, würden sie es mit der Angst zu tun bekommen – Rachephantasien, Gedanken an eine brutale Vergeltung, die sich gegen jeden richtete, von dem er

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