In alter Freundschaft - Kriminalroman
der hab ich, äh, sozusagen geschäftlich zu tun.« Er richtete seine wasserblauen Augen auf mich: »Sag mal, täusch ich mich oder kennt ihr euch vielleicht?«
»Du täuschst dich.«
»Hmm.« Er zeigte Sonja das leere Glas und hielt zwei Finger in die Luft. »War nur so ein Gedanke. Nee, mit Frauen läuft nichts mehr. Als Geschäftsmann darfst du dich nicht verzetteln. Entweder du bist voll power bei der Sache oder die Konkurrenz schießt dich ab.«
Sonja stellte das zweite Whiskyglas neben mein halb volles erstes. Carlo kippte seins, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ja, Schorsch, war nett, mit dir zu plaudern. Ich mach mich jetzt da durch, hab noch was zu tun.«
»Ich komme mit«, sagte ich. »Ich wollte auch gerade gehen.«
Überrascht schaute er mich an. »Ich muss aber noch mal kurz ins Büro.«
»Macht nichts, mein Wagen steht sowieso hinten.« Gesundheitsschonender als zusammen mit Carlo Ponti konnte ich das Bad nicht verlassen.
Als er in seinem roten Porsche saß, hetzte ich zu meinem Wagen. Zum zweiten Mal an diesem Tag entschloss ich mich zu einer spontanen Verfolgung. Eine Bemerkung von Carlo Ponti hatte mich neugierig gemacht.
Bis ich in die Steinfurter Straße einscherte, war der rote Porsche längst verschwunden. Ich hatte ihn in Richtung Innenstadt fahren sehen und heizte hinterher. Zehn Minuten lang kam kein Porsche in mein Blickfeld, geschweige denn ein roter. Ich gab auf und fragte mich, was ich mit dem angebrochenen Abend anfangen sollte. Mehr aus Langeweile denn einer neuerlichen Eingebung gehorchend, fuhr ich zur Sentruper Höhe zurück. Volltreffer! Carlos Porsche stand hinter dem japanischen Flitzer von Claudia Kummer.
Nachdem ich meinen Wagen eine Querstraße weiter abgestellt hatte, stand ich unschlüssig vor dem Haus der Kummer. Mir widerstrebte der Gang durch den Garten, schon wegen der Erinnerung an den grausigen Fund, den ich beim letzten Mal gemacht hatte. Doch die triste Vorderfront bot keinerlei Einblickmöglichkeiten. Wenn überhaupt, dann spielte sich das Geschehen im Wohnschlafzimmer der Kummer ab. Und mit einem Ohr an der Terrassentür hatte ich sogar gute Chancen, einen Teil der Gespräche mitzubekommen.
Ich blickte mich vorsichtig um, kein Hund mit Herrchen an der Leine weit und breit. Also setzte ich über den Jägerzaun und stapfte durch die kniehohe Wiese. An der Hausecke riskierte ich einen Blick durch das Terrassenfenster. Carlo Ponti und Claudia Kummer standen sich auf der Bühne des hell erleuchteten Wohnzimmers gegenüber: Er hatte eine Flasche in der Hand, sie einen hochroten Kopf. Es musste sich um Zornesröte handeln, denn beide nahmen eine aggressive Haltung ein. Jetzt hob er die rechte Hand und fuchtelte damit vor ihrem Gesicht herum. Ich hörte so etwas wie »Idiot«. Ponti trat einen Schritt näher an sie heran und brüllte: »Sag das noch einmal!«
Sie wich einen halben Meter zurück, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt. Offensichtlich hatte sie das Wort wiederholt, denn Ponti versetzte ihr plötzlich eine Ohrfeige. Von der Wucht des Schlages getroffen, fiel sie auf den neben ihr stehenden Sessel und blieb dort liegen. Ponti wechselte die Flasche von der linken in die rechte Hand und hob sie über den Kopf der Kummer.
Mit voller Wucht trat ich vor das Terrassenfenster und tatsächlich bekam es einen Riss vom Boden bis zur Decke. Dann warf ich mich mit meinem Körpergewicht gegen die Scheibe. Es krachte und splitterte, und ich segelte der Länge nach auf den Teppichboden. Irgendwie hatte ich eine Scherbe ins Gesicht gekriegt, denn unter meinem linken Auge brannte es fürchterlich. Trotzdem kam ich ziemlich schnell auf die Beine. Allerdings nicht schnell genug. Ich sah Carlo Pontis Hosen vor mir und hob den linken Arm, um den Schlag abzuwehren. Da knallte es knapp oberhalb meiner Augen. Ich spürte nichts, aber alles wurde rot, dann grün, dann endgültig schwarz.
X
Aus der Bewusstlosigkeit zu erwachen, ist ein Gefühl ganz eigener Art. Minutenlang ist man geneigt, die Welt als etwas völlig Neues zu betrachten, die eigene Lage, zusammengekrümmt auf einem Teppich und mit Blick auf eine Polstergarnitur, als naturgegeben hinzunehmen.
Das Schellen der Türklingel hatte mich geweckt, aber ich war unfähig, mich zu bewegen. Mein Kopf fühlte sich an, als hätte jemand einen rostigen Nagel hineingetrieben. Ich wollte eigentlich nur liegen bleiben und mich an den Zustand gewöhnen, zu den Lebewesen zu gehören.
Jetzt schnappte ein
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