In alter Freundschaft - Kriminalroman
Besuch?
Ich drehte mich um und probierte die Türklinke. Ebenfalls unverschlossen. Leise drückte ich die Tür auf. In dem großen Bett lag jemand. Eine Frau mit schwarzen Haaren. Ich trat näher und fand meine Ahnung bestätigt. Claudia Kummer schlief einen tiefen, traumlosen Schlaf.
»Wachen Sie auf!«, sagte ich halblaut.
Nichts geschah. Ich beugte mich zu ihr hinunter und gab ihr einen leichten Schlag auf die Wange. Keine Reaktion. Jetzt zog ich ihren rechten Arm unter der Bettdecke hervor und tastete nach dem Puls. Schwach, aber regelmäßig. Vermutlich hatte sie ein paar Schlaftabletten eingenommen.
Ich steigerte das Tätscheln zur Ohrfeige und tatsächlich öffnete sie die Augen.
»Was 'n los?«, brummte sie und schlief sofort wieder ein.
»Aufwachen!«, brüllte ich und zog sie hoch.
»He, ich will schlafen«, maulte sie.
»Jetzt wird nicht mehr geschlafen«, verkündete ich und unterstrich meine Worte mit einer erneuten Ohrfeige.
»Schwein«, protestierte sie. Dabei drückte ich ihren Kopf zwischen die Füße, um sie am Zurückklappen zu hindern.
»Lass mich los, du Schwein«, sagte sie, schon etwas lauter.
»Ich bin Georg Wilsberg«, zischte ich ihr ins Ohr, »und Sie werden jetzt aufstehen.«
»Wilsberg?«, keuchte sie. »Der Schnüffler?«
»Genau der. Ich will Ihnen helfen.«
»Dann lassen Sie endlich meinen Kopf los!«
Ich nahm die Hand von ihrem Kopf und sie setzte sich einigermaßen senkrecht ins Bett.
»Ponti hat mich gezwungen, Schlaftabletten zu nehmen«, flüsterte sie. Dann fielen ihr die Augen zu.
»Wir werden einen kleinen Spaziergang machen«, sagte ich, riss die Bettdecke weg und stellte ihre Füße auf den Boden. Ihren rechten Arm über meine Schulter gezogen, taumelten wir über den Flur in Pontis Gemächer. Ich fand eine kleine Küche und setzte sie auf einen Küchenstuhl. Sofort sackte sie nach vorne und legte den Kopf auf beide Arme.
Ich zog sie wieder nach oben. »Während ich Kaffee koche, werden wir uns unterhalten«, bestimmte ich.
»Worüber?«
»Zum Beispiel darüber, wie Sie hierher gekommen sind.«
»Das war gestern Abend, glaube ich. Nach dem Streit mit Ponti in meiner Wohnung. Als Sie«, sie kicherte, »zu Boden gegangen sind. Nein, das ist nicht lustig. Eigentlich wollten Sie mir ja helfen, nicht? Leider hat das nicht viel genutzt. Ponti war jedenfalls ziemlich wütend, auf Sie – und auf mich. Er hat mich gezwungen mitzukommen, in dieses Haus hier. Zuerst hat er mich gefesselt, aber dann war ihm das wohl zu gefährlich und er gab mir fünf Schlaftabletten, die ich schlucken musste. Einmal bin ich aufgewacht, es muss Mittag gewesen sein, die Sonne stand hoch am Himmel. Als ich weglaufen wollte, ist Ponti hinter mir her. Ich hab geschrien, aber das hat wohl niemand gehört. Er wurde brutal. Und ich musste noch mehr Schlaftabletten schlucken.«
Bei den letzten Worten wurde sie immer leiser. Eine Sekunde später war sie eingeschlafen. Ich füllte ein Glas mit Wasser und kippte es ihr ins Gesicht.
»He, was soll das?«
»Eine kleine Erfrischung«, sagte ich. »Der Kaffee ist auch gleich fertig.«
Inzwischen summte das heiße Wasser im Kessel. Ich kippte ungefähr drei Esslöffel Pulverkaffee in eine Tasse. Um den Geschmack zu mildern, gab ich noch eine Ladung Zucker dazu. Das fertige Gebräu setzte ich an ihre Lippen.
»Iiih«, sagte sie nach dem ersten Schluck, »das schmeckt ja scheußlich.«
»Aber es weckt Tote«, gab ich ihr zu bedenken. »Schließlich waren Sie nicht allzu weit davon entfernt.«
Sie trank tapfer und ihr blasses Gesicht bekam etwas Farbe.
»O Gott«, murmelte sie, »mir wird schlecht.«
»Kein Problem. Nur raus mit dem Zeug!«
»Ich muss kotzen«, stöhnte sie.
Bevor ich mich nach einer Toilette umsehen konnte, war es schon zu spät. Der erste Schwall ging auf den Fußboden, für den zweiten hielt ich eine Plastikschüssel bereit.
Als sie die Schüssel bis zum Rand gefüllt hatte, ging es ihr besser. Ich kippte die Brühe in den Ausguss und drapierte einen Aufnehmer über den Flecken auf dem Boden. Dann gab ich ihr eine zweite Tasse Kaffee, diesmal etwas dosierter, zu trinken.
»Wir müssen hier weg«, sagte ich, während sie schlürfte. »Ich möchte nicht unbedingt Ponti begegnen.«
Abrupt stellte sie die Kaffeetasse auf den Tisch. »Daran habe ich überhaupt nicht gedacht.«
»Ich probier mal, ob ich ein Taxi bekomme. Notfalls können wir ja die Polizei anrufen.«
»Hier liegen die Schlüssel von meinem Wagen«, rief
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