In angenehmer Gesellschaft
Eins-Mann«, sagte Toy.
Ich fuhr ihn an. »Toy, er war mein erster Mann und ist nicht mein Nummer Eins-Mann!« Und während ich sprach, griff ich nach dem Telegramm.
Ich bezweifle, daß Toy von diesem feinen Unterschied beeindruckt war. Er sagte: »Ja, Ma’m!« und ging hinaus.
»Ein Telegramm«, sagte ich. »Ich möchte wissen, von wem es ist!«
»Ganz egal, von wem es ist«, sagte Jim. »Es ist für Nummer Eins-Mann, haha!«
Ich trat ans Fenster und hielt den Umschlag gegen das Licht. Er war vollkommen undurchsichtig. Von wem war das Telegramm? Was stand darin?
»Laß uns hier weitermachen«, sagte Jim und blätterte in seinem Notizblock. »Wo sollen die Millikens sitzen?«
Ich gab keine Antwort. Es mußte irgendeine Möglichkeit geben, den Inhalt des Umschlages zu lesen, und ich zerbrach mir den Kopf darüber.
»Kate!« sagte Jim.
Ich preßte den Umschlag an die Fensterscheiben und hoffte auf eine Art Röntgenstrahlen-Effekt.
»Kate!« sagte Jim scharf. »Was machst du da?«
»Ich habe dir erzählt«, sagte ich, »daß ich Pogo gestern am Telefon ein Telegramm nach Paris habe aufgeben hören. Das hier muß die Antwort sein.«
»Na — und?«
Ich war zu sehr damit beschäftigt, die Umschlagklappe zu lockern, um antworten zu können.
»Kate!« rief Jim. »Hör auf damit!«
Ich hatte eine andere, glänzende, blendende Idee. Es gab einen Weg! Pogo Poole selbst, anerkannter Meister im Ausspionieren von Angelegenheiten anderer Leute, hatte ihn mir gezeigt. »Aha!« sagte ich und rannte zum Schreibtisch nach einem Bleistift. Es war leicht. Ich schob den Bleistift mit der Spitze zuerst unter die Klappe und fing an, sehr vorsichtig, ihn zu drehen und zu schieben, bis die Klappe sich zu öffnen begann.
Jim ging vor Ärger in die Luft. »Kate! Das ist streng verboten!«
»Mach dir keine Sorgen, Liebling! Ich habe große Erfahrung darin!«
Er sprang auf. »Mein Gott, ich habe eine Hochstaplerin geheiratet!« Er stürzte auf mich zu. »Was verstehst du vom Geldschrankknacken? Wir könnten dich womöglich in der Bank verwenden.«
Er schüchterte mich nicht ein bißchen ein, aber im selben Augenblick ging die Haustür auf und wurde wieder zugeschlagen, und ich bekam einen Schreck. Ich warf das Telegramm auf den Tisch und sagte zu Jim: »Die Liste! Wir arbeiten an der Liste! — Die Millikens nicht hier! Lieber hier, am Seitenschiff. Und die Platts...«
Mein Vater kam ins Zimmer.
Ich seufzte erleichtert auf und sagte: »Oh, du bist es!« und machte mich wieder über das Telegramm her.
»Kate!« rief Jim. »Ich erlaube das nicht! Ich verbiete es dir!«
»Was verbietest du?« erkundigte mein Vater sich.
»Sei nicht töricht!« sagte ich und arbeitete weiter.
Jim wandte sich zu ihm tun. »Deine Tochter hat verbrecherische Instinkte!«
»Die hat sie von mir«, sagte mein Vater stolz.
In Jim wurde der alte Puritaner wach. Er trat zu mir und grollte: »Es ist ganz und gar unverzeihlich! Gib es mir!«
Ich grollte zurück: »Laß mich zufrieden! Ich kämpfe für das Glück meiner Tochter.«
»Glück — meine Güte! Neugierig bist du! Du darfst keine fremde Post lesen!«
»Es ist keine Post«, erklärte ich ihm. »Es ist ein Telegramm.«
»Das ist noch schlimmer!«
»Ich muß sagen«, meinte mein Vater, »daß ich diese kleine häusliche Szene faszinierend finde. — Ist es ein Telegramm für Biddeford?«
»Ja«, sagte ich. Der Bleistift zeigte merkbare Fortschritte.
»Und von wem ist es?«
»Das gerade möchte ich herausfinden.«
»Kate«, sagte Jim drohend, »wenn ich mich recht erinnere, kannst du dafür zehn Jahre Gefängnis bekommen. Oder sogar zwanzig. Es ist ein Kapitalverbrechen. Verstehst du?«
»Ha!« sagte ich. »Glaubst du etwa, Pogo liest unsere Post nicht? Ich will dir ein kleines Geheimnis anvertrauen: er hat alle Papiere in deinem Arbeitszimmer durchgekramt, auch dein ärztliches Gutachten.«
Jim sah mich ungläubig an. »Das ist unmöglich!«
»Ja?« sagte ich. »Ich habe deine Papiere so sortiert, daß ich genau wußte, wie sie lagen. Und als ich später nachgesehen habe, waren sie durcheinandergebracht worden. Und wer, glaubst du, hat mir diese schlauen kleinen Tricks beigebracht? Pogo Poole!« Der Umschlag war auf; triumphierend zeigte ich ihn Jim und meinem Vater. »Seht ihr! Wenn man es versteht, ist es leicht.«
»Kate«, sagte Jim, »das gefällt mir nicht. Ich bitte dich: wahre den bescheidensten Anstand und lies es nicht!«
Ich las es.
Eifrig fragte er: »Was steht
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