in China
selbstverständlich ein Doppelagent - hat uns von X berichtet und uns mitgeteilt, daß auch die Russen an ihm interessiert seien. Noch in diesem Sommer werden die Russen mittels Geheimagenten eine Aktion starten, um diesen Mann aus China
herauszuschleusen. «
»Darf ich fragen warum?«
»Weil unser Freund X eine ganze Menge über die chinesischen Befestigungsanlagen an der Grenze zu Rußland weiß. Er hat sogar daran mitgewirkt. Zumindest an den unterirdischen Abschnitten, die Ende der sechziger-und Anfang der siebziger Jahre dazugekommen sind. Es ist ein Glück für uns, daß bei der Regierung noch niemand an ihn gedacht hat. Anscheinend ist es unserem Mr. X gelungen, den Namen und die Identität eines anderen anzunehmen.
Vielleicht aufgrund einer falschen Eintragung in den Akten. Er könnte auch mit einem Gefangenen verwechselt worden sein, der verstorben ist. Ich möchte Sie nicht mit Namen verwirren; aber wenn ich Ihnen sage, daß X in Wirklichkeit Wang Shen heißt und sich jetzt Wong Shen nennt, können Sie sich Gedanken darüber machen, wie es dazu kommen konnte.«
Mrs. Pollifax nickte. »Er ist also Ingenieur, wenn ich mich nicht irre. Aber wie ist er denn in diesem Lager gelandet?«
»Das ist uns leider nicht bekannt. Durch irgendeine Unvorsichtigkeit. Vielleicht hat er sich dem Falschen anvertraut, oder man hat ein verbotenes Buch bei ihm gefunden. Es spielt ja auch gar keine Rolle. Zu Maos Zeiten ist es vielen Menschen so ergangen.« Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Karte. »Wichtig ist allein, daß sich die Grenze zwischen China und Rußland über 7.800 km hinzieht. Rußland war für China einst der große Bruder und Mentor. Jetzt ist es ein bedrohlicher Nachbar, der den Chinesen Unbehagen bereitet.
China kämpft darum, sich seinen Platz in der Welt zu sichern. Für die Russen ist es natürlich sehr wichtig, zu wissen, welche Fallen ihrer an der Grenze harren, und niemand in China weiß, daß Wang Shen, der darüber genauestens informiert ist, noch am Leben ist.«
»Wirklich erstaunlich«, sagte Mrs. Pollifax und kniff die Augen zusammen.
»Wir möchten unbedingt verhindern, daß Wang den Russen in die Hände fällt«, fuhr
Carstairs fort.« Natürlich könnten wir den Chinesen klarmachen, daß die Russen an dem Mann interessiert sind; doch das ist uns nicht geheuer, da wir ja nicht wissen können, was die Regierung daraufhin unternehmen würde. Er gilt höchstwahrscheinlich als
Konterrevolutionär, als Revisionist, als Wegbereiter des Kapitalismus oder irgend etwas in dieser Richtung, sonst wäre er wohl kaum in einem Arbeitslager, um dort umerzogen zu werden. Außerdem befindet er sich Tausende von Meilen von Peking entfernt in einem Land, in dem die Bürokraten Maos noch immer überall das Sagen haben. Da könnte es leicht passieren, daß es irgend jemandem als die einfachste Lösung erscheint, ihn erschießen zu lassen.«
Das sah Mrs. Pollifax ein.
Mit dem Anflug eines Lächelns fuhr er fort: »Und damit Sie uns hier nicht für reine Altruisten halten, lassen Sie sich gesagt sein, daß wir selbst entzückt wären, uns mit Mr.
Wang unterhalten zu können - im Interesse des Gleichgewichts der Mächte auf diesem geplagten Planeten.« Er seufzte. »Diese Grenze macht uns Kummer. Unsere Satellitenfotos besagen nicht viel, weil sich ein Großteil der chinesischen Verteidigungsanlagen unter der Erde befindet. Das chinesische Militär gibt zwar liebenswürdigerweise zu, um Jahre hinterherzuhinken, was die Verteidigung angeht, doch sie hüllen sich lächelnd in Schweigen, wenn man wissen will, womit sie die Russen eigentlich abhalten, abgesehen von einer Milliarde Chinesen, unterirdischen Bunkern und Flugabwehrgeschützen auf sämtlichen Bergen und Hügeln.«
»So langsam fange ich an zu begreifen«, sagte Mrs. Pollifax zögernd.
»Na also. China muß unbedingt stark genug sein, um die Russen in Schach halten zu können.
Da wir niemals durch Rußland angreifen würden, ist das für uns natürlich sehr wichtig ist und uns deshalb ebenfalls daran gelegen ist, ihn in die Finger zu bekommen.«
»Gar nicht so einfach, das leuchtet mir jetzt ein.« Mrs. Pollifax erschien die Sache zwar bedenklich, aber keineswegs aussichtslos.
»Das kann man wohl sagen. In China kann man sich selbst als Tourist nicht frei bewegen.
Wir haben zwar Beobachter in China und Statistiken über den Staat, auch hören wir von sämtlichen Chinesen, die über Kanton nach Hongkong fliehen«, erklärte er, »doch unser
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