Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In den finsteren Wäldern (German Edition)

In den finsteren Wäldern (German Edition)

Titel: In den finsteren Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
»Du gehst rein und schläfst ein wenig.«
    Neala zögerte. Vielleicht brauchte der Mann etwas Zeit für sich. Wahrscheinlicher jedoch fand sie, dass er ritterlich sein und Wache halten wollte, während sie schlief.
    »Ich will bei dir bleiben«, gab sie zurück.
    »Also ...«
    »Wenn du lieber allein bist ...«
    »Nein, schon gut.« Er grinste. »Glaubst du wirklich, ich möchte mit all dem allein sein?« Er betrachtete das Meer der Köpfe. »Was, wenn sie anfangen, mit mir zu reden?«
    »Glaubst du, das könnten sie?«
    »Nicht, wenn wir uns weiter unterhalten.«
    »Können wir uns setzen?«
    Sie nahmen auf dem Boden Platz. Neala schlug die Beine übereinander und lehnte sich an die Blockhütte. Das Holz fühlte sich durch den dünnen Stoff ihrer Bluse rau und kratzig an. Sie ließ den Blick zu Boden gerichtet, während sie sprach. »Ich wollte dir danken«, sagte sie. »Ich weiß nicht, was hier los ist oder warum du es getan hast, aber du hast uns das Leben gerettet.«
    »Na ja ...«
    Neala wartete darauf, dass er fortfuhr, doch er fügte nichts hinzu. »Warum bist du eigentlich zurückgekommen?«
    »Wer weiß?«
    » Du musst es wissen.«
    »Ja. Ich schätze, das muss ich wohl.«
    »Sag es mir.«
    »Ich denke, ich wollte nicht, dass du stirbst.«
    Sie rückte seitwärts, bis sie ihn an ihrer Schulter spürte. Neala fühlte sich zu diesem Mann stark hingezogen, was sie verwirrte. Schließlich hatte er ursprünglich dabei mitgewirkt, sie in diesen Albtraum zu stürzen. Vermutlich sollte sie ihn dafür hassen. Doch das konnte sie nicht. Er war stark und tödlich, aber zugleich auf eine Weise verletzlich, die in ihr den Wunsch weckte, ihn festzuhalten.
    »Warum ich?«
    »Keine Ahnung. Da ist etwas ... Ich wusste, was sie mit euch machen würden. Der Gedanke, dass du verletzt wirst ...«
    »Was ist mit Sherri? Mal angenommen, es wäre nicht um mich gegangen. Hättest du sie zum Sterben zurückgelassen?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Weil es in Barlow so läuft. So ist es schon immer gewesen, von Anfang an.«
    »Wie hat es denn angefangen?« Sie sah ihn an. Er begegnete ihrem Blick, dann schaute er weg und betrachtete die Umgebung.
    »Ich bin nicht sicher, ob das noch irgendjemand weiß«, antwortete er. »Die Krulls waren als Erste hier. Niemand scheint zu wissen, woher sie kommen. Allerdings gibt es reichlich Theorien. Manche behaupten, sie wären Kinder des Teufels, andere sagen, sie sind eine Art Stamm aus der Steinzeit.«
    »Wenn sie aus der Steinzeit sind, woher haben sie dann Waffen aus Stahl?«
    »Von uns. Wir geben ihnen, was sie wollen. Außer Schusswaffen.«
    Neala schüttelte den Kopf.
    »Na jedenfalls hatte meine Geschichtslehrerin an der Highschool die Theorie, dass die Krulls Nachkommen einer Gruppe von Wikingern sein könnten, die an der Pazifikküste ankam und sich das Delta entlang vorgearbeitet hat.«
    »Und was denkst du?«
    »Ich denke, sie könnten von irgendeinem verrückten alten Mann aus den Bergen abstammen – einem durchgeknallten Daniel Boone.« Neala sah ein verschmitztes Grinsen, als er mit den Schultern zuckte. »Was soll’s, niemand weiß es. Ich habe eine Nachbarin namens Joanne Early, die glaubt, dass sie Marsmenschen sind. Was immer sie wirklich sind, sie haben die Kontrolle. Früher sind sie etwa einmal pro Monat über die Ortschaft hergefallen, aber unsere Vorväter ließen sich etwas einfallen und fingen an, ihnen Fremde auszuliefern. Das funktionierte prächtig, denn die Bewohner von Barlow raubten die Leute zudem aus, bevor sie den Krulls übergeben wurden.«
    »Das tun sie noch immer«, sagte Neala und blickte auf ihre nackten, blutigen Füße hinab.
    »Beide Seiten profitieren davon. Solange die Krulls 8 bis 10 Opfer pro Monat bekommen, lassen sie uns zufrieden.«
    »Hat nie jemand versucht, sie aufzuhalten?«
    »Es gab schon ein paar Versuche, aber nicht viele. Einmal brach ein Bursche namens MacQuiddy mit einer Gruppe von Männern aus dem Ort dazu auf. Sie nannten sich die Glorreichen 14. Das war damals in den 1930ern. Zu der Zeit hatte sich herumgesprochen, dass es klug wäre, Barlow zu meiden. Es kamen kaum noch Reisende durch und unsere Leute konnten keine Opfer mehr in den Wald bringen. Also schlichen sich die Krulls eines Nachts in den Ort. Sie schnappten sich ein Dutzend Frauen und Kinder. Die Glorreichen 14 zogen los, um sie zu retten, und kamen nie zurück.«
    Neala beobachtete, wie sein Blick über das Meer der Köpfe wanderte. »Niemand kommt je zurück«, fügte er

Weitere Kostenlose Bücher