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In den Klauen des Bösen

In den Klauen des Bösen

Titel: In den Klauen des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Er drehte den Motor auf Hochtouren und schoß in einen engen Bayou, ohne mehr auf die Richtung zu achten, um nur von diesen toten, hypnotischen Augen loszukommen.
    Zuletzt erreichte er seine Hütte doch, und die Angst begann ihn schon zu verlassen angesichts dieser sicheren Zuflucht, als er die Nähe der Kinder von neuem spürte. Und dann begann das Heulen, das unheimliche Gewinsel, das den letzten ihm noch verbliebenen Rest von Mut vertrieb. Von überallher schien es zu kommen, und als er ins Dunkel spähte, konnte er sie wieder erkennen - wohin er auch schaute, überall diese heulenden Furien!
    Seine Blicke jagten von einem Kind zum nächsten, wie ein wildes Tier war die Angst, die ihn befiel und ihn seiner Kraft beraubte. Und dann sah er Jonas Cox in der Dunkelheit auf sich zukommen, nur dass Jonas ganz andere Augen hatte als sonst, statt des ausdruckslosen Blicks eine rasende Wut, die Judd durchbohrte, ihn angriff, ihn verurteilte.
    Judd wollte wegschauen, aber es half nichts. Jonas schien überall. Schließlich schloss Judd Duval die Augen, um nichts mehr zu sehen. Aber das Bild blieb.
    Und dann - Judd zog sich die Haut zusammen - fasste Jonas ihn an. Judd versuchte der Berührung auszuweichen, doch die Finger des Jungen griffen irgendwie in ihn hinein, drehten und wendeten alles, als ob sie nach etwas in ihm suchten, und schließlich empfand er in der Brust einen ungeheuren Schmerz, der ihn lähmte und seine Muskeln zu Knoten verhärtete, die ihm jeden Knochen im Leib zu brechen drohten.
    Gleich darauf fühlte er die anderen Kinder, die sich auf ihn stürzten, ihn förmlich zerrissen. Er spürte den Verfall des eigenen Körpers, das Absterben der Zellen.
    In seinem Bewusstsein stieg das Bild des toten Carl Andersen unter der hohen Fichte hoch.
    Da begriff er den Grund für sein schreckliches Sterben, und sein Widerstand brach.
    Als die sechs Kinder, die Jonas anführte, von dem sterbenden Judd ihre Seele wiedergewannen, wurde ihr Schreien leiser. Ihre Augen füllten sich angesichts ihrer Tat, vor der sie nun entsetzt zurückwichen, mit Tränen. Doch mit dem Weinen fühlten sie sich zum erstenmal in ihrem Leben heil.
    Auf der Insel, wo Clarey Lambert ausharrte, erloschen sechs weitere Kerzen; weitere sechs Puppen weinten...

31
     
    Warren Phillips hatte durchgearbeitet und den letzten Teil der Flüssigkeit, die er aus den Thymusdrüsen der Kinder im Pflegeraum extrahiert hatte, zum lebensspendenden Element verfeinert, das seinen Leib jung und aktiv erhalten würde. Mit den drei kleinen Phiolen, die er nunmehr in seine Arzttasche steckte, würde er mehrere Wochen lang versorgt sein, Wochen, die er nutzen konnte, um eine neue Stätte für sein Wirken zu finden, wo ihn niemand kannte.
    Ja, die Zukunft war rosig; denn Leute, die für den Zauber, den er in Neugeborenen entdeckt hatte, zu zahlen bereit wären, gab es überall in der Welt.
    Und es gab Gegenden, wie er wusste, wo Babys billig waren, wo Tag für Tag Kinder geboren wurden, die man für ein paar Dollar kaufen konnte, ohne dass nach dem Käufer oder seinen Motiven gefragt wurde. Am nächsten Ort würde er sich nicht mehr die Mühe machen, die Kinder am Leben zu erhalten, sondern sie nach ein bis zwei Jahren umkommen lassen - soviel hatte er hier in Villejeune jedenfalls gelernt: Wenn man sie am Leben ließ, gab es Probleme. Aber in Villejeune würden es nach dieser Nacht nicht mehr seine Probleme sein.
    Er dachte, völlig emotionslos, über die Kinder nach und fragte sich, wie es ihnen wohl nach seiner Abreise ergehen könnte, wenn es für ihr leeres Leben nicht mehr den Mittelpunkt des Schwarzen Mannes geben würde. Er nahm an, dass sie den Verstand verlieren würden, so wie vor nur einem Monat Kelly Andersens Verstand ausgerastet war. Und dann...
    Er hielt inne, als ein tierischer Wutschrei in die unterirdischen Kammern seines Hauses drang.
    Beim zweiten Heulen rannte er aus dem Labor zum Fuß der Treppe, die nach oben führte.
    Dort stand Lavinia Carter, mit bleichem Gesicht und am ganzen Körper zitternd, und schaute hoch. Phillips schob sie beiseite. »Die Kinder im Pflegeraum!« stieß er hervor. »Schaff sie fort!«
    Ohne abzuwarten, ob seine Anweisung befolgt würde, lief Phillips die Stufen hoch und blieb in der schwach erleuchteten Halle stehen. Die Nacht draußen war voll von einem Heulen wie dem Geheul von Wölfen. Phillips wusste, dass es kein Wolfsgeheul war.
    Es waren die Kinder - die Kinder, die ihm gehörten.
    Zorn wallte in ihm auf. Er

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