In Den Schatten Lauert Der Tod -1-
ihr E-Mails zu schicken, in denen er ihre Artikel kommentierte, ihr Fragen stellte und sogar um eine Kopie ihrer Promotionsschrift bat. Oh Mann. Der ultimative Egokick für eine Altertumsnärrin wie sie.
Schließlich hatte er ihr den Vorschlag unterbreitet, nach Chicago zu kommen, um die Echtheit einiger seiner Neuanschaffungen zu überprüfen, und wegen der Höhe ihres Honorars noch nicht mal mit der Wimper gezuckt. Besser gesagt, seine Untergebenen hatten das nicht getan. Er selbst war damals gerade in Paris gewesen. Sie hatte ihn weder da persönlich getroffen noch bei einem der drei Folgeaufträge, deren Vergütung jedes Mal ein Glücksfall gewesen war. Mit der ersten Zahlung hatte sie ihren Umzug aus der Wohnung auf der Queen Anne in dieses wesentlich preisgünstigere Zimmer im heruntergekommenen Kinsdale Arms finanziert. Der zweite und der dritte Job, beide in San Diego, hatten es ihr ermöglicht, den Eigenanteil ihrer Mutter für die letzten Arztrechnungen zu bezahlen. Mit dem Santa-Fe-Auftrag hatte sie zwei der überfälligen Hypothekenzahlungen ihrer Mutter beglichen. Und dieser würde, wenigstens hoffte sie das, beinahe die Extrem überfällig- Spalte abdecken.
Für Mueller zu arbeiten, war unglaublich stilvoll gewesen. Erste Klasse, sämtliche Spesen extra. Es war wunderbar gewesen, mit Achtung und Respekt behandelt zu werden. Was für eine willkommene Abwechslung zu der armseligen Tretmühle ihres Alltags, in dem sie sich wegen versäumter Hypothekenzahlungen mit Banken herumschlagen musste, ihren Vermieter anbettelte, den Kammerjäger zu bestellen, oder den ganzen Januar ohne warmes Wasser fristete. Und dann all die geschmacklosen Details, die im Lauf der Gerichtsverhandlung ihres Vaters eins nach dem anderen ans Licht gekommen waren, bis Erin am Ende gar nichts mehr schocken konnte. Na ja, fast gar nichts mehr. Diese Videos waren dann doch ein ziemlicher Hammer gewesen.
Genug. Konzentrier dich auf das Wesentliche. Claude Mueller wollte sie also persönlich treffen? Wie schmeichelhaft! Auch sie war neugierig auf ihn. Sie heftete die Rechnungen zusammen, verstaute sie in dem mit Moms Rechnungen markierten Ordner in ihrem Aktenschrank und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Muellers E-Mail zu.
Sie musste in ihrer Antwort den perfekten Ton treffen. Warm und enthusiastisch, dabei aber nicht unreif oder, Gott bewahre, verzweifelt. Reserviert und gleichzeitig mit einem Touch persönlichem Interesse, das gegen Ende aufblitzte. Ich freue mich schon darauf … wie schön, endlich die Gelegenheit zu bekommen, Sie persönlich kennenzulernen etc. Eine Empfehlung von Mueller könnte die Initialzündung für ihr hoch spezialisiertes Beratungsunternehmen sein. An eine Museumstätigkeit in Seattle war nicht mehr zu denken, seit das Huppert Institute sie gefeuert hatte. Sie würde die Stadt verlassen müssen, um der dunklen Wolke, die über ihrem Kopf hing, zu entfliehen. Gleichzeitig konnte sie ihre Mutter und Cindy unmöglich sich selbst überlassen, solange beide so labil waren.
Sie hatte sämtliche Informationen zusammengetragen, die sie im Internet über Mueller finden konnte. Er war öffentlichkeitsscheu, dennoch wurde er aufgrund seiner großzügigen Spenden an die Kunstwelt immer wieder in Museumsmagazinen erwähnt. Ihre Kollegen aus der Abteilung für Spendenzuschüsse und Entwicklung schwärmten ununterbrochen vom Umfang des Quicksilver-Fonds. Mueller war Mitte vierzig und lebte auf einer Privatinsel vor der südfranzösischen Küste. Das war alles, was sie wusste.
Sie las ihre Antwort und klickte auf SENDEN. Mal sehen. Vielleicht würde der Mann sich ja als attraktiv und charmant entpuppen. In seinen E-Mails schien er unterschwellig mit ihr zu flirten. Er war klug und gebildet. Dazu noch reich, nicht, dass ihr das wichtig gewesen wäre, trotzdem war es eine interessante Tatsache, die abzuspeichern sich lohnte. Er schätzte die sinnliche, enigmatische Schönheit keltischer Artefakte, die auch ihre Leidenschaft waren. Er war ein Sammler schöner Objekte.
Überhaupt kein Vergleich zu Connor McCloud.
Autsch! Verdammt. Dabei hatte sie sich eben erst insgeheim auf die Schulter geklopft, weil sie seit Stunden nicht an Connor gedacht hatte. Sie versuchte, ihn aus ihren Gedanken zu verscheuchen, aber es war zu spät. Als sie ihn zuletzt gesehen hatte, während des Albtraums am Crystal Mountain vergangenen Herbst, war sein Haar so lang, struppig und wild gewesen wie das eines keltischen Kriegers. Während hinter
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