In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche
und röchelt kurz, als ob jemand eine Frage gestellt hätte. »Ihr wurdet mir aufgedrängt und euer nach Nelken und Tabak riechender Zuhälter ist verschwunden.«
Doch es klingt mehr, als ob er es zu sich selbst sagt, als beruhige er sein Gewissen. Die Zeit für eine »Zigarette danach« nimmt er sich nicht. Ein Hausmeister hat sicherlich viel zu tun. Er tätschelt das Mädchen kurz, als wäre sie ein Hund, der brav Stöckchen apportiert hat. Dann nimmt er sie am Arm und zieht sie hoch. Sie folgt ihm wie ein Roboter, ohne den geringsten Widerstand. An der Tür merkt er, dass die apathische junge Frau kein Höschen trägt und mit nacktem Unterleib und barfuß auf dem kalten, feuchten Beton von einem Fuß auf den anderen tritt. Ihre Hand hält sie verschämt vor ihrem Schoß, doch diese Geste wirkt automatisch und wie geprobt. Herr Mahr kehrt zu der schmutzigen Matratze zurück. Hechelnd beugt er sich schließlich vor, hebt den Slip auf und reicht ihn ihr. Dann öffnet er die massive, rostige Tür und schiebt sie sanft in die Dunkelheit hinein. Er schließt die Tür wieder, sperrt sie zu und geht seiner Arbeit nach.
»Hast du je daran gedacht, es zu melden?«
Wir sitzen in meinem Zimmer, dieser winzigen Zelle im vierten Stock, die ein heimliches Archiv für die besten Comics der Welt ist. Hier führt vom Eingang nur ein kleiner, vier Schritte langer, von hohen Regalen gesäumter Korridor zum Bett.
Manzio hat es sich auf meinem Bett bequem gemacht, während ich mit dem einzigen Stuhl vorliebnehme. Er trägt eine seiner typischen Jogging-Uniformen. Das Oberteil und die Hose sind beide rot und mit einem weißen Streifen entlang der Arme und Beine gesäumt. Mein Kleidungsstil ist hoffnungslos trashig und aus einer Bequemlichkeit heraus irgendwo bei der Grunch-Ära stehengeblieben. Doch Manzio schafft es bei allem, eins draufzusetzen. Sogar bei unserem gemeinsamen schlechten Geschmack im Bezug auf Bekleidung.
»Wie melden? Meinst Bullerei und so?« Er seufzt. »Ich habe mir überlegt, ihn zu töten.«
Ich beobachte ihn schweigend, in der Hoffnung, er möge diese Stellungnahme ein wenig erklären.
»Es hätte etwas sehr poetisches. Voll krass archaisch, Mann. Unschuldige Mädchen aus den Klauen eines Psychopathen zu retten«, fährt er fort. »Aber leider ist es nicht so einfach.«
Ich mustere seinen Gesichtsausdruck und weiß, dass er es ernst meint.
»Es gehen seltsame Dinge da unten vor. Da gibt es Kerle, die nur russisch sprechen. Und ein Haufen Söldner lebt da unten und bewacht alles, was sich hinter der blauen Tür befindet. Und es gibt unbewohnte Appartements in den oberen Stockwerken. Wusstest du, dass es über uns mindestens zwanzig Wohnungen gibt, die leer stehen? Ich habe mal reingeschaut. Sie sehen aus wie Wohneinheiten für Soldaten. Total spartanisch.«
Er legt eine Sonderausgabe der Jungen Giganten beiseite und greift sich seine verwinkelte Glasbong. Er hat sie aus seiner Wohnung mitgebracht. In einem schwarzen Koffer, der mit Schaumstoff ausgelegt ist.
»Unten im Keller leben Söldner?« frage ich vollkommen verwirrt und versuche mir auszumalen, was er da eigentlich sagt.
Manzio lässt den Rauch durch das Wasser rauschen. Es klingt wie eine kleine tragbare Klospülung.
»Ganz seltsamer Scheiß...« Er stellt die Wasserpfeife beiseite und lehnt sich, den Bauch kratzend, zurück. »Dieses Haus ist so fies, das checkst du gar nicht. Das ist Dark Germany in Reinform.«
Ich versuche zu begreifen, was er meint. »Und was geht da vor?«
»Ich habe unten die seltsamsten Sachen gesehen. Männer treffen sich dort und sprechen von einem Krieg. Aber es ist irgendwie nicht politisch. Es kommt mir vor, als wären sie eine Sekte, aber sie reden davon, alle Sekten zu vernichten. Doch als erstes wollen sie die schrecklichste aller Sekten vernichten. Es ist alles ziemlich schräg.«
Ich sehe ihn erstaunt an.
»Woher weißt du so viel über sie?«
Manzio beugt sich vor und starrt mich geheimnisvoll an.
»Ich gehe da schon lange hin.«
»Da runter?«
Er nickt undeutlich.
»Ich weiß nicht warum. Es macht mich einfach so neugierig.«
Er blickt ausdruckslos vor sich hin und schweigt eine Weile.
Ich denke an Rufus Mahr, wie er dort mit seinem wuchtigen, fassförmigen Körper auf diesem dürren, zerbrechlichen Mädchen lag und seine Schenkel gegen ihren Schoß klatschten.
Die Hostien sind alle und so stellen wir einen Topf voller Gummibärchen zwischen uns. Nicht gerade mein Favorit zur Befriedigung von
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