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In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche

In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche

Titel: In den Spiegeln - Teil 1 - Das Hause der Kraniche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ales Pickar
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befanden. Kleine moderne Plastikschalter, mit weißen eingeschobenen Papierchen für die Namen. Unten, in der rechten Ecke stand »Mahr — Hausmeister« auf einen Plastiktextstreifen gedruckt und auf die Klingel geklebt. Ich drückte sie kräftig und trat einen Schritt von der Tür zurück. Erst jetzt bemerkte ich die Kraniche über dem Eingang. Sie passten nicht zu der bayerischen Mischung aus Rauputz und Eichenholz — dafür hatten sie zu viel Würde. Ich fragte mich, ob ein Asiate hier mal seine fehlende Miete abgearbeitet und diese vier erhabenen Vögel, so fern der Heimat, in einen gezeichneten Teich gesetzt hatte. Sie standen im Wasser und blickten alle in dieselbe Richtung. Über dem See, der nur mit einem einzelnen Strich angedeutet war, befanden sich chinesische Zeichen.
    Ich suchte eine neue Wohnung, da ich es leid war, jeden Morgen in der U-Bahn in mein Büro zu pendeln und dabei die ganze Zeit den verbitterten, verschlafenen und zum Teil zornigen Zombies zuzusehen, die dort grimmig auf ihren Sitzen saßen oder mit geschlossenen Augen versuchten, doch noch etwas Schlaf zu erhaschen. Jeden Morgen empfand ich diese Wut auf diese Menschen. Sie stieg in mir auf, während ich ihre kalten, blassen, schlecht geschminkten Gesichter sah und mein Blick gelegentlich mit ihren ausgebrannten Augen traf. Nach beinahe drei Jahren bei Brunner & Furlong hatte ich genug von dieser Darbietung. Genug von diesem Bedürfnis, jeden Tag um 8:30 explodieren zu wollen. Ich beschloss, mir eine neue Wohnung zu suchen. Eine, die nur zehn Minuten Fußweg von meiner Arbeit entfernt sein sollte.
    Am Telefon hatte mir die Agentur erklärt, das Haus sei mal früher ein Hotel gewesen, das aber nicht sehr gut lief. Vermutlich gab es hier auch irgendwelche absurden Hausregeln. Es war sicher eines dieser Mietshäuser, in dem massive Töpfe mit Wohnzimmerpalmen oder Agave-Gestrüpp in den Zwischengeschossen stehen und die Treppe mit einem Teppich versehen ist.
    Ich rechnete mit einem durchgeknallten Vermieter, der versuchen würde, mein Privatleben seinem neurotischem Mikromanagement zu unterwerfen, und sah mich bereits die winzige Allee entlang spazieren, zurück zur U-Bahn-Station. Auf meiner Liste standen noch zwei Adressen. Ich tröstete mich damit, dass ich mich nicht unbedingt für diesen Ort entscheiden musste.
    Die massive Tür ging auf, und ich blickte in die Augen eines kleinen chinesischen Mädchens, gebettet in das Gesicht einer älteren Frau.
    »Sie werden kein schöner Ausblick haben, doch dafür Balkon. Nicht jedes Apartment mit Balkon.« Frau Mahr führte mich die Treppe hoch ins vierte Stockwerk. Ich muss mich stets wundern, dass nur noch Wohnungen in hohen Etagen für mich übrigbleiben. Nie stoße ich auf eine Wohnung im Erdgeschoß. Als Kind wohnte ich in der siebzehnten Etage, aber da gab es wenigstens einen Aufzug, der meistens auch funktionierte. Viertes Stockwerk ohne Lift ist kein Spaß, insbesondere wenn man mit so viel Papier umzieht wie ich. Ich erinnerte mich an die unbeschriebenen Klingeln am Eingang.
    »Sie haben doch sicherlich Apartments in niedrigeren Regionen...«, bemerkte ich nachdenklich, während ich die kitschigen, billigen Bilder musterte auf den Wänden des Treppengangs. Doch ich bekam keine befriedigende Antwort.
    »Alles voll«, meinte Frau Mahr lakonisch.
    Auf der Treppe kamen uns zwei junge Asiatinnen entgegen. Sie kicherten über etwas und unterhielten sich in ihrer Muttersprache.
    »Meiste hier Japaner«, klärte mich Frau Mahr auf, wobei ich glaubte ein abfälliges, wenn auch unmerkliches Zucken in ihrem nervösen Mundwinkel zu erhaschen. »Studieren in München Musik. Ich hoffe, Ton von Instrumente stören nicht...«
    »Ich denke nicht«, sagte ich unsicher. »Und Sie kommen aus...?«
    Sie blieb auf der Treppe stehen und blickte mich an. »Ich bin chinesisch... Früher Frau Yang, jetzt Frau Mahr.«
    Frau Mahr hatte ein blasses Gesicht und fahle Lippen. Sie war noch keine Greisin, sie war keine junge Frau mehr — sie schwebte in einem für mich undefinierbarem Reich der Altersmitte. Ich schätzte sie auf fünfundvierzig, vielleicht etwas älter. Sie erinnerte mich an jene Frauen, die in opulenten Fernost-Epen die Mutterkaiserin spielen. Nur dass Frau Mahr in keinem dreißig Kilogramm schweren Edelsteinkostüm steckte, sondern eine schlichte Latzhose trug und ein blaues Holzfällerhemd.
    Sie öffnete mit einem Schlüssel aus einem riesigen Schlüsselbund die Tür und ging hinein. Ich folgte

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