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In den Städten, in den Tempeln

In den Städten, in den Tempeln

Titel: In den Städten, in den Tempeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Horst & Brandhorst Pukallus
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entgegen, auf deren Oberfläche die Hölle nicht nur eine Legende war, sondern Realität. Die Fähre schwebte in den Landeanker hinein; die Triebwerke verstummten, und der Copilot erhob sich, lächelte und verkündete mit theatralischem Tonfall: »Da wären wir, meine Damen und Herren.«
     
    Im Shuttle-Terminal herrschte ein unglaublicher Tumult. Clay blieb unwillkürlich stehen, als er den Hangar durch das breite Portal verlassen hatte und sich einer riesigen Halle gegenübersah. An der mit Skulpturen, Mosaikfresken, großen Bildnissen und Malereien versehenen Felsdecke schwebten Hunderte von Kunstsonnen, und ihr Licht verschmolz zu einem silbergoldenen Glanz. Überall waren Anpflanzungen zu sehen, mit Marmor umsäumt; Wasser spritzte und gurgelte aus Quellen und Springbrunnen, und genetisch veränderte und zu Riesenwuchs veranlaßte Blumen verströmten einen fast betäubenden Duft. Überraschenderweise war die Luft frisch und nicht verbraucht und schal, wie er es aus irgendeinem Grund erwartet hatte. Man hatte Podeste errichtet, manche inmitten einer Anpflanzung, andere wiederum auf den Wandelflächen. Dort boten Akrobaten ihre Kunststücke dar und spielten Gruppen auf exotischen und elektronisch klangverstärkten Instrumenten. Hier und dort standen Pavillons mit schillernden Leuchtflächen, auf denen es in rhythmischen Abständen pulsierte: INFORMATION und TOURISTIK und HERBERGEN.
    Clay gab sich einen Ruck und lenkte seine Schritte dem Pavillon entgegen, der Informationen versprach. Überall um ihn herum herrschte dahinhastende Eile. Er schätzte, daß sich in der Halle mehr als zweitausend Personen aufhielten. Unter ihnen waren sicherlich viele, die mit dem gerade eingetroffenen Liner angekommen waren oder auf ihren Aufruf zur Einschiffung für die Abreise warteten. Er hielt nach Enrico Silverstone Ausschau, konnte den Steuerflüchtling aber in der hin und her wogenden Menge nicht erkennen.
    Tasche folgte ihm und summte.
    Und als Clay die Halle des Shuttle-Terminals zu durchqueren begann, stellte er fest, daß trotz ihrer teuren und aufwendigen Ausstaffierung hier nicht nur Wohlstand und Glück herrschten. Neben der allgemeinen Geschäftigkeit hockten heruntergekommen wirkende Gestalten auf den Rasenflächen des Parks, den Ruhebänken und Badebuchten, saugten an Räucherstäbchen, schliefen oder träumten mit offenen Augen den Traum von einer anderen und besseren Welt. Sie waren auf den ersten Blick als Terraner zu erkennen. Viele standen in langen Reihen vor den mobilen Essensstationen, und in UNO-Uniformen gekleidete Beamte gingen mit elektronischen Blocks und Verzeichnissen in den Händen an ihnen entlang und wechselten knappe Worte mit dem einen oder anderen.
    »Sie sind gerade angekommen und neu hier«, erklang eine Stimme hinter ihm. Clay drehte sich langsam um. Der Venusier, der ihn angesprochen hatte, war in eine lange Tunika gekleidet, die mit goldenen und purpurnen Fäden durchwirkt und mit sexuellen Symbolen reichhaltig verziert war. Der Schädel war kahlgeschoren und mit einer artifiziellen Nährschicht versehen worden, in der winzige Venustulpen wuchsen. Es gab dem Mann ein verwirrendes Aussehen.
    »Ja«, antwortete Clay gedehnt.
    »Ich bin ein Sozif«, erklärte der Venusier und klopfte Clay auf die Schulter. Ein penetranter Moschusduft ging von ihm aus. Es ekelte den Comptroller an. Dies war kein Mann, sondern ein Geck, eine Clara , wie es im Tiefstadtslang hieß, jemand, den man nicht ernst nehmen konnte und der sich damit abgefunden hatte.
    »Sozif«, machte Clay. »Aha.«
    »Oh. Ein sozialer Freund. Tja, ich komme aus der Lokation Allnatur, wie man unschwer erkennen mag.« Der Venusier grinste schief und deutete auf seinen Kopf. »Wir vertreten die Ansicht, daß der Mensch zu dem zurückfinden muß, was das Wesen des Seins ausmacht.«
    »Den Tulpen also«, warf Clay ein.
    »Und Rosen, Orchideen und Veilchen ...«
    »Es tut mir leid, aber ich habe keine Zeit. Komm, Tasche.« Clay wandte sich zum Gehen.
    »Halthalt!« rief der Venusier. »Sie verstehen nicht. Ich bin ein Sozif. Ich bin seit zwei Standardwochen der Meinung, daß mich eine soziale Aufgabe einen großen Schritt weiterbringt auf dem Weg zur allgemeinen Selbstverwirklichung. Ich bin hier, um Neuankömmlingen zu helfen. Und Sie sind doch gerade erst angekommen?« Er hakte sich lächelnd bei Clay ein und begleitete ihn zum Informations-Pavillon. »Tja«, sagte der Sozif, als sie an einem Springbrunnen vorbeikamen, an dem eine apathisch

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