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In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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auftauchten, ging sie durch die Hütte und nannte ein Ding nach dem andern beim Namen. Und als sie endlich stehenblieb, tat sie es triumphierend, in aufrechter Haltung und mit zurückgezogenem Kopf, erwartungsvoll, fragend.
    »Katze«, sagte Frau van Wyck lachend und buchstabierte nach Kinderart: »Ich – sehe – wie – die – Katze – eine – Maus – hascht.«
    Li Wan nickte ernsthaft. Endlich begannen sie zu begreifen, diese Frauen. Ihr Blut färbte den Bronzeton ihrer Haut noch dunkler bei diesem Gedanken, und sie lächelte und nickte noch heftiger.
    Frau van Wyck, wandte sich an ihre Freundin. »Ich vermute, sie hat irgendwo ein bißchen Missionserziehung genossen und will sich nun zeigen.«
    »Natürlich«, kicherte Fräulein Giddings. »Die kleine Närrin. Ihre Eitelkeit bringt uns noch um unsern ganzen Schlaf.«
    »Macht nichts, ich will nun mal die Jacke haben. Wenn sie auch alt ist, so ist es doch ausgezeichnete Arbeit – ein Prachtstück.« Sie wandte sich an ihre Besucherin: »Tauschen? Du? Tauschen? Wieviel? He! Wieviel, du?«
    »Vielleicht will sie lieber ein Kleid oder etwas Derartiges haben«, meinte Fräulein Giddings.
    Frau van Wyck ging zu Li Wan und machte ihr ein Zeichen, daß sie ihr ihren Morgenrock für die Jacke geben wolle. Um den Abschluß des Handels zu beschleunigen, ergriff sie Li Wans Hand, legte sie zwischen die Spitzen auf ihrem wogenden Busen und rieb die Finger hin und her, damit Li Wan die Feinheit des Stoffes fühlte. Der edelsteinbesetzte Schmetterling jedoch, der das Gewand an dieser Stelle zusammenhielt, war nicht sicher befestigt, und so glitt der Stoff beiseite und entblößte eine feste weiße Brust, die noch nie die Berührung von Kinderlippen gespürt hatte.
    Frau van Wyck ordnete ruhig ihr Kleid, aber Li Wan stieß einen lauten Schrei aus und riß und zerrte an ihrem Fellhemd, bis ihre eigene Brust, fest und weiß wie die Evelyn van Wycks, sich enthüllte. Mit unartikuliertem Stammeln und lebhaften Zeichen versuchte sie, ihre Stammesverwandtschaft zu beweisen.
    »Ein Mischling«, erklärte Frau van Wyck. »Ich dachte es mir gleich, als ich ihr Haar sah.«
    Fräulein Giddings machte eine Bewegung des Abscheus. »Stolz auf die weiße Haut ihres Vaters. Das ist ekelhaft. Gib ihr etwas Evelyn, und laß sie gehen.«
    Aber die andere seufzte. »Die Ärmste! Wenn ich nur etwas für sie tun könnte!«
    Ein schwerer Fußtritt knirschte draußen im Sand. Dann öffnete sich die Tür der Hütte, und Canim trat ein.
    Fräulein Giddings sah sich einem plötzlichen Tode ausgesetzt und schrie, aber Frau van Wyck trat ihm ruhig entgegen.
    »Was willst du?« fragte sie.
    »Guten Abend«, sagte Canim liebenswürdig und geradezu; dann zeigte er auf Li Wan: »Meine Frau.« Er streckte die Hand nach ihr. aus, aber sie wies ihn zurück.
    »Sprich, Canim! Sag ihnen, daß ich...«
    »Daß du die Tochter Pow-Wah-Kaans bist? Nein, was geht sie das an? Was sollten sie sich daraus machen? Ich erzähle ihnen lieber, daß du ein schlechtes Weib bist, das sich aus dem Bett des Gatten fortschleicht, wenn der Schlaf schwer auf seinen Augen liegt.«
    Wieder streckte er die Hand nach ihr aus, aber sie floh zu Frau van Wyck, warf sich ihr zu Füßen und machte verzweifelte Anstrengungen, ihre Knie zu umklammern.
    Die Dame wich zurück und erlaubte Canim mit einem Blick, sich ihrer zu bemächtigen. Er ergriff Li Wan unter den Armen und hob sie auf. Sie kämpfte in wahnsinniger Verzweiflung mit ihm, bis seine Brust vor Anstrengung wogte.
    »Laß mich los, Canim«, schluchzte sie.
    Aber er drehte ihr Handgelenk, bis sie den Kampf aufgab.
    »Die Erinnerungen an die Zeit, da du ein kleines Vögelchen warst, sind allzu stark und verwirren dich«, sagte er.
    »Ich weiß es! Ich weiß es!« brach sie aus. »Ich sehe den Mann auf Händen und Knien durch den Schnee kriechen. Und ich bin ein kleines Kind und sitze auf seinem Rücken. Und das war, ehe ich Pow-Wah-Kaan und die Zeit kannte, da ich in einem kleinen Winkel der Erde lebte.«
    »Das weißt du«, antwortete er und drängte sie zur Tür, »aber du wirst mit mir den Yukon hinabwandern und wirst vergessen.«
    »Nie werde ich es vergessen!« Wie rasend klammerte sie sich an den Türpfosten.
    »Dann werde ich dich lehren, zu vergessen, ich, Canim, das Kanu!«
    Und mit diesen Worten riß er ihre Finger los und schritt mit ihr den Weg hinab.
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Der Bund der Alten
    Vor dem Kriegsgericht stand ein Mann, bei dem es um Leben und Tod ging. Es war ein alter Mann,

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