Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

In den Waeldern des Nordens - V3

Titel: In den Waeldern des Nordens - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
ein Eingeborener vom Weißfischfluß, der unterhalb des Le-Barge-Sees in den Yukon mündet. Ganz Dawson befand sich in Aufregung, ja, die Bevölkerung längs des Yukons auf tausend Meilen flußauf und – ab. Es war von jeher Brauch bei den land- und seeräuberischen Angelsachsen gewesen, den besiegten Völkern Gesetze zu geben, und oft sind diese Gesetze hart. Aber in Imbers Fall schien das Gesetz einmal unzulänglich und milde zu sein. Wollte man sie mathematisch berechnen, so entsprach die Strafe, die ihn treffen mußte, nicht der Schwere des Verbrechens. Daß er gestraft würde, stand von vornherein fest und konnte nicht bezweifelt werden, aber obwohl das Urteil auf Todesstrafe lauten mußte, besaß Imber ja nur ein einziges Leben, während es sich bei der Anklage gegen ihn um ein Dutzend von Menschenleben handelte.
    Tatsächlich klebte das Blut so vieler Menschen an seinen Händen, daß die Zahl seiner Opfer sich nicht genau feststellen ließ. Eine Pfeife am Wegrande rauchend oder am Ofen hockend, machte man lose Überschläge über die Zahl seiner Opfer. Sie waren alle weiß gewesen, die armen Ermordeten, und sie waren einzeln, paar- oder scharenweise erschlagen worden. Und so sinnlos und unüberlegt waren diese Morde gewesen, daß sie der berittenen Polizei lange ein Mysterium gewesen waren, sogar in den Tagen der Kapitäne und später, als die Goldwäsche sich zu rentieren begann und ein Gouverneur von der Regierung geschickt wurde, um das Land für seinen Reichtum bezahlen zu lassen.
    Aber noch mysteriöser war, daß Imber nach Dawson kam und sich selbst stellte. Es war spät im Frühling, und der Yukon murrte und wand sich unter seiner Eisdecke, als der alte Indianer mühsam das Flußufer hinaufklomm und blinzelnd an der Hauptstraße stehenblieb. Leute, die ihn hatten kommen sehen, bemerkten, daß er schwach und unsicher auf den Beinen war und daß er zu einem Stapel Bauholz wankte, auf dem er sich niederließ. Hier saß er einen ganzen Tag und starrte geradeaus auf den ununterbrochenen Strom weißer Männer, der vorüberflutete. Mancher Kopf wandte sich neugierig zur Seite, um seinem stieren Blick zu begegnen, und mehr als eine Bemerkung fiel über den Alten. Unzählige Menschen erinnerten sich später, daß die ungewöhnliche Gestalt ihnen aufgefallen war, und brüsteten sich stets damit, daß sie sofort das Seltsame der Erscheinung erkannt hatten.
    Aber es war Dickensen, Klein Dickensen, vorbehalten, der Held des Tages zu werden. Klein Dickensen war mit großen Träumen und einer Handvoll Geld ins Land gekommen. Mit dem Gelde waren aber auch die schönen Träume verschwunden, und um den Betrag für die Rückreise nach den Staaten zu verdienen, hatte er eine Stellung bei der Maklerfirma Holbrook & Mason angenommen.
    Auf der andern Seite der Straße, gerade gegenüber dem Kontor von Holbrook & Mason, lag der Stapel Bauholz, auf den Imber sich gesetzt hatte. Dickensen sah ihn durch das Fenster, ehe er frühstücken ging, und als er vom Frühstück zurückkam und wieder zum Fenster hinaussah, saß der alte Siwash immer noch da.
    Dickensen sah weiter zum Fenster hinaus, und auch er brüstete sich später stets mit seiner schnellen Auffassungsgabe. Er war ein romantisches Kerlchen, und so verglich er den unbeweglichen alten Heiden mit dem Schutzgeist der Siwashrasse, der ruhig auf die Heerscharen der angelsächsischen Eindringlinge starrte. Die Stunden gingen, aber Imber blieb unbeweglich sitzen und regte keinen Muskel, und Dickensen mußte an den Mann denken, der einmal aufrecht auf einem Schlitten in der Hauptstraße gesessen hatte, wo die Leute von allen Seiten vorübergekommen waren. Man hatte geglaubt, daß der Mann sich ausruhe. Als man ihn aber später berührte, fand man, daß er steif und kalt war. Er war mitten in der verkehrsreichen Straße erfroren. Um ihn zu strecken, damit man ihn in den Sarg legen konnte, mußte man ihn erst ans Feuer schleppen und ein bißchen auftauen. Es schauderte Dickensen bei der Erinnerung.
    Später trat Dickensen auf die Straße, um eine Zigarre zu rauchen und ein wenig frische Luft zu schnappen, und gleich darauf kam Emily Travis zufällig vorbei. Emily Travis war fein, zart und reizend, und ob sie sich nun in London oder in Klondike befand, so kleidete sie sich stets, wie es sich für die Tochter eines millionenschweren Mineningenieurs geziemte. Klein Dickensen legte seine Zigarre auf den Rand des Fensterrahmens, wo er sie leicht wiederfinden konnte, und lüftete den

Weitere Kostenlose Bücher