In der Fremdenlegion (German Edition)
Festungsbau, mit den uralten Bastionen und den leeren Plätzen für Lafetten und Festungskanonen war. Eine Herberge war aus ihm geworden in seinen alten Tagen, eine Karawanserai, ein Bungalow, das jahraus, jahrein nichts anderes zu tun hatte, als immer wieder anderen Rekruten der Kolonialarmee Obdach zu geben, bis das Schiff sie fortführte nach Afrika oder nach dem chinesischen Tonkin oder nach Madagaskar. Das alte Fort war die Pforte, durch die Frankreichs Regimenter in die Kolonien zogen. Für manchen die Pforte zur Ehrenlegion, für die Mehrzahl die Pforte zu Elend, Leiden, Krankheit, zu einem namenlosen Grab im heißen Sand.
Welchen Weg würde ich gehen? Ins Verderben hinaus. ...
*
Ich ging vorne an den Bug und hielt mir die Ohren zu, damit nicht irgendein französisches Wort mich daran erinnere, daß ich Legionär war. Ich vergaß Legion und Schiff und Elend und starrte hinaus auf das Märchen von Marseille. Da war ein stilles Meer. Aus seinem Wasser heraus wuchsen Halbinseln und Landzungen. Die hatten sich in blaugraue Dunstschleier gehüllt und spielten miteinander Verstecken, genau wie im Märchen. Bis Frau Sonne kam, den Dunstschleier wegstrahlte und nacheinander die Hügel und Häuserchen ins rechte Farbenlicht setzte. Eine Felseninsel stieg auf mit einem düstern alten Kastell, dem Gefängnis, aus dem Dumas seinen Abenteurer Monte Christo entfliehen ließ. Und dann nur das weite Meer, die Inkarnation blauer Schönheit. Meer und Sonne hatten sich zusammengetan, einen armen Teufel von Legionär das Vergessen zu lehren. Immer neue Bilder schufen sie in raschem Wechsel. Da war eine kleine Welle weit draußen, die mit der Sonne Haschen spielte. Bald gelang es ihr, zu entfliehen, bald wurde sie gefangen und spottend mit einer Flut von Licht überschüttet. Dann kam sie brausend auf uns zu, stieß sich den Kopf an der harten Schiffswand, prallte zurück, fing entrüstet zu zanken an und machte großen Lärm. Langsam beruhigte sie sich und fing an, leise zu erzählen. Plitsche – platsche – vom Frieden unten im Meer – plitsche – platsche – von den allerschönsten Meernixen – plitsche – platsche – lief sie lachend davon und balgte sich mit einer andern Welle.
Ich wußte, daß ich ein Deklassierter war. Aber daß die Verachtung, die Geringschätzung, die niederträchtige Behandlung schon beim Schiffskoch des Transportdampfers beginnen würde, hatte ich nicht erwartet.
» Nix comprend! « schrie der Koch. Das Paketboot der » Compagnie des Messageries Maritimes «, das uns neun Legionsrekruten von Marseille nach Oran brachte, hatte an dem Koch eine ganz miserable Akquisition gemacht. Der Mensch antwortete auf den Namen Jacques, wenn es ihm gerade paßte. Er war boshaft, heimtückisch, verlogen, cholerisch und schmutzig.
Am ersten Tag bekamen mir bis gegen Abend nichts zu essen. Als es am zweiten Tage drei Uhr wurde und wir immer noch nüchternen Magens auf die erste Mahlzeit warteten, sagte ich ihm, daß unsere Verpflegung bezahlt sei und daß er uns gefälligst etwas zu essen geben solle.
Die Antwort war zunächst ein reichhaltiges Assortiment von Flüchen. Fluchen konnte er sehr schön. Dreckige Legionäre müßten eben warten. Wenn er gerade übrige Zeit hätte, würden wir schon etwas zu essen bekommen.
Ich freute mich! Wie man mit der Sorte umgeht, wußte ich von meinen amerikanischen Zeiten her.
»Siehst du, mein Sohn,« wandte ich mich liebevoll an ihn, »diese acht Kameraden von mir sind Deutsche und können kein Französisch. Sie können aber prügeln! Siehst du, wie sie um dich herumstehen? Ich glaube, sie werden dich sehr prügeln.«
» Allez donc! « meinte der Koch zweifelnd und unruhig.
»Sie werden dich wahrscheinlich totschlagen!«
Der Koch wurde bleich, schob sich rückwärts in seine Kombüse zurück und fischte aus dem Herd ein Blech heraus, in dem Makkaroni schwammen. Dann brachte er uns Brot in Fülle und eine Art Gießkanne, in der drei Liter Wein sein mochten. Dafür gab es aber keine Messer, nur vier Gabeln für neun Mann und einen einzigen Blechtopf zum Trinken.
Neulich ist eines dieser Paketboote gestrandet. Hoffentlich war es dieses Boot und hoffentlich ist dieser Koch dabei ersoffen! –
Zwei Tage und zwei Nächte dauerte die Fahrt. Am Abend des zweiten Tages kam aus dem Territorium der ersten Kajüte ein Sergeant der Fremdenlegion zu uns Bewohnern des Vorderschiffs herüber. Wollte sich mal die neuen Legionäre ansehen. Da er ein Belgier war und mit den
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