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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Rosen
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Mann zählte uns umständlich ab, auf daß ihm ja kein teures Haupt fehle. Dann marschierten wir nach der Kaserne.
    Neun Rekruten rissen die Augen weit auf. Neger im Lendentuch und roten Fes mit ungeheuren Lasten auf den Schultern eilten mit trippelnden kleinen Schritten vorbei; schweigsame Araber, von Kopf zu Fuß in den weißen Burnus eingehüllt, standen regungslos in den Ecken; Offiziere promenierten, Damen in duftigen Sommerkleidern blieben stehen und sahen uns mit einem Gemisch von Neugierde und Mitleid an. Eine Spahi-Ordonnanz in knallroter Uniform mit weitflatterndem Mantel jagte auf schaumbedecktem Schimmel vorbei und rief uns grinsend zu:
    » Bon jour, les bleus! « Ueber große Plätze mit europäischen Dutzendhäusern, die ebensogut irgendwo in Deutschland oder Österreich hätten stehen können, ging es hinein in kleine Gassen, in denen sich halbnackte schwarze und braune Kinder herumbalgten.
    Dann wurde es sandig. Der afrikanische Sand, der im Leben eines Legionärs eine große Rolle spielt, begrüßte uns. Wir kamen auf eine Straße, eine ideale Straße, deren leichtgebogene Oberfläche hart wie Stein war. Eine längst verflossene Generation von Fremdenlegionären hatte sie gebaut.
    »Leschionär' ham' die Straß' baut,« sagte der Korporal.
    In langen, langsam ansteigenden Serpentinen wand sich die Straße um die Küstenfelsen herum. Eine Stunde lang mochten wir marschiert sein, als die Mauern eines alten Kasernements auftauchten. Wieder eines der Hotels, eine der Durchgangsstationen für das immer neue Menschenmaterial, das Frankreichs Algerien fortwährend verschlingt. Unsere Schritte hallten auf dem steingepflasterten Hof. Ein Leutnant verlas unsere Namen und amüsierte sich über das kräftige deutsche »Hier«, mit dem geantwortet wurde.
    Wir wurden in eine Art Verschlag gebracht. Die eine, kaum fünf Meter messende Langseite des dunklen Raumes entlang lief eine Art Pritsche, eine schräge, aus Brettern zusammengenagelte Lagerstatt. In einer Ecke stand ein großer Tonkrug mit Wasser, und in einem Winkel waren ein halbes Dutzend dünner brauner Wolldecken hingeworfen. Von früheren Bewohnern zeugten Hunderte von Zigarettenstummeln und eine reichhaltige Kollektion von Kehricht auf dem Boden.
    Das Soldatenleben begann.
    Als es dunkel wurde und meine Kameraden sich auf der Pritsche ausstreckten, schlich ich mich davon. Es war zu dumpf und zu eng in dem Raum. In einem stillen Winkel im Hof legte ich mich hin, in meinen Ueberzieher gewickelt. Fünf Minuten war ich allein. Dann kamen Gestalten in Legionsuniform ...
    Es sei ein schöner Abend. Es sei eine ausgezeichnete Idee, hier draußen zu schlafen. Sie wären von Sidi-bel-Abbés abkommandiert, um das Kasernement hier in Ordnung zu halten. Ob ich schon wüßte, daß ein Liter hier nur vier Sous loste? Sehr guter Wein! Sie hätten allerdings keine vier Sous. Dagegen sei die Kantine noch offen! ...
    So kam es, daß in der ersten Nacht auf afrikanischem Boden ein Frankstück in fünf Flaschen algerischen Weins umgewandelt wurde.
    Die Flaschen klirrten, und der Wein gluckte hörbar.
    Jemand klopfte in der Nähe an eine Tür. Erst leise und vorsichtig, dann lauter, dringender.
    »Das ist der Rote! Der hat Durst!« sagte einer der Legionäre, ohne eine Miene zu verziehen. »Er ist eingesperrt.«
    Als ob das etwas Selbstverständliches wäre. Wir gingen alle hin. Ganz oben an der Türe, über Mannshöhe, war ein kleines Gitter, durch dessen Stäbe man eine Hand sah, die ein blechernes Eßgeschirr emporhielt. Ein Legionär kletterte auf die Schulter eines anderen. eine Flasche wurde emporgereicht, und durch das Gitter hindurch ergoß sich der rote Wein in das Eßgeschirr. Gleich darauf ertönte aus der Zelle ein vergnügliches Schmatzen.
    »Warum ist der eingesperrt?« fragte ich.
    Dies ist die Geschichte:
    Man nannte ihn den Roten, weil sein Haar in brennendem Rot leuchtete. Er war ein alter Legionär mit zehn Jahren Dienstzeit und wußte ganz genau, daß er auf der Welt zu nichts mehr taugte als zum Legionär. Denn zehn Jahre sind eine lange Zeit ... Als er aber in dieses langweilige Kasernenhotel kommandiert wurde, und den ganzen Tag lang das Meer vor sich sah, regte sich ein gewaltiger Freiheitsdrang in ihm. Und eines Abends ging er hinunter an den Hafen, spazierte die Küste entlang, suchte sich ein arabisches Fischerboot aus, das ihm gefiel, sprengte in aller Gemütlichkeit die Kette mit einem großen Stein, zog das Segel auf und fuhr hinaus ins Meer.

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