In der Oase des Scheichs
Autostunden entfernt in Silicon Valley oder Sacramento gelegen. Und jetzt sollte sie mit ihm um die halbe Welt reisen. „Meinen Sie das im Ernst?“
„Natürlich. Sie haben den Vertrag aufgesetzt und haben alle Einzelheiten im Kopf. Ich kann ihn also auf keinen Fall ohne Sie unterschreiben.“
„Ich … nun …“
„Die Sache ist zu wichtig. Es kann in letzter Sekunde zu Problemen oder Einwänden kommen. Möglicherweise müssen Änderungen gemacht werden. Ich brauche Sie dabei. Sie wissen, dass ich nicht alle Details parat habe.“
Das stimmte. Er war der Mann der großen Pläne, er hatte den Überblick, brachte die Dinge voran. Sie kümmerte sich um die Einzelheiten. Sie waren ein Team.
„Ich denke, ich sollte hier im Büro bleiben. Wenn Sie mich brauchen, bin ich auch hier jederzeit erreichbar.“
„Das bringt nichts. Ich will Sie dabeihaben. Machen Sie sich keine Sorgen. Tazzatine ist ein sehr modernes Land. Sie müssen keinen Schleier tragen. Die Frauen dort fahren Auto, gehen einkaufen, schwimmen, spielen Golf. Zumindest in der Hauptstadt.“
Das war es nicht, was sie zögern ließ. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, ihn in seine Heimat zu begleiten und seine Angehörigen kennenzulernen. Mehr denn je würde sie dann spüren, wie hoffnungslos ihre Liebe zu ihrem Chef war. Er würde eines Tages einen kleinen Staat regieren, und seine Familie setzte hohe Erwartungen in ihn.
Sie käme sich wie eine Außenseiterin vor. Natürlich würde man nett zu ihr sein. Sie hatte schon oft von der legendären Gastfreundschaft gehört. Dennoch gehörte sie nicht dazu, und dort würde das ganz klar zutage treten.
Andererseits wäre sie vielleicht danach ein für alle Mal geheilt. Kaum denkbar, nach einer solchen Reise immer noch davon zu träumen, dass ihr Boss eines Tages von seinem Schreibtisch aufblicken und ihr seine Liebe erklären könnte.
Sie schüttelte den Kopf, um sich von diesen Gedanken zu befreien. Er liebte sie nicht und würde auch nie mehr als Achtung für sie empfinden. Soweit sie wusste, gab es keine Frau in seinem Leben. Auch wenn es nicht an Anwärterinnen mangelte. Glamouröse Frauen aus der besten Gesellschaftsschicht. Claudia kannte sie aus den Hochglanzzeitschriften und vom Telefon. Denn es gehörte auch zu ihren Aufgaben, ihren Chef vor zudringlichen Anrufen zu schützen.
Wenn er sich in keine dieser Schönheiten verliebte, welche Chance hatte sie dann? Sie war nicht strahlend schön, eher unscheinbar, kaufte Kleider von der Stange, trug bequeme Schuhe und eine schlichte Frisur. Auch gehörte ihre Familie nicht zu den oberen Zehntausend, sondern lebte in einfachen Verhältnissen.
Und sie wollte es auch nicht anders haben. Lächerlich, wenn sie plötzlich in einem modischen engen Kleid im Büro erschiene, sich bei einem teuren Friseur Strähnchen machen ließe und dann geschminkt und mit hohen Absätzen herumstöckeln würde.
Es musste genügen, dass er sie respektierte und sich auf sie verließ. Mehr konnte daraus nicht werden.
„Alles in Ordnung?“ Samir beugte sich über ihren Schreibtisch und sah ihr in die Augen. „Sie sind mit Ihren Gedanken ganz woanders. Haben Sie überhaupt mitgekriegt, was ich gerade gesagt habe?“
„Ja, natürlich.“ Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf. Sie musste auf Distanz gehen. Brauchte Abstand zu seinem durchdringenden Blick und seiner männlichen Ausstrahlung. Allein schon seine Stimme mit dem kaum wahrnehmbaren Akzent, der die Schulzeit in den USA und Europa überdauert hatte, ließ ihre Knie weich werden. Jetzt war nicht der richtige Moment, um mit ihm über die Reise zu debattieren. Sie fühlte sich der Situation nicht gewachsen. „Ich verstehe nicht, warum …“, begann sie zaghaft.
„Worüber zerbrechen Sie sich den Kopf? Der Flug wird komfortabel sein, und das Land ist faszinierend mit seiner Mischung aus Tradition und Moderne.“
„Ich weiß. Sie haben mir oft von der modernen Großstadt und der umliegenden Wüste erzählt. Von den Oasen und den Rennpferden, die Sie züchten. Ich bin sicher, alles ist wunderschön, aber …“ In einer hilflosen Geste hob sie die Hände.
„Es ist eine andere Welt“, sagte er. „Sie müssen sie gesehen haben, um sie wirklich zu verstehen. Alles, nicht nur die Ölplattformen und die neue City-Skyline, die Wüste und die Villa meiner Familie in der Palmenoase. Ich möchte, dass Sie die Menschen kennenlernen – meine Verwandten und die Bayadhis. Erst dann können Sie wirklich
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