In der Oase des Scheichs
doch keine Hochzeit, oder? Sie wollen mein Land nicht kennenlernen, nicht dabei sein, wenn die Verträge unterzeichnet werden. Und mein Privatleben interessiert Sie auch nicht. Dafür habe ich Verständnis. Aber es handelt sich in erster Linie um eine Geschäftsreise, und dafür brauche ich Sie. Warum wollen Sie das nicht verstehen?“
Sie verstand das ja. Aber wie konnte sie bei seiner Verlobung anwesend sein? Es wäre die reinste Folter, ihn Seite an Seite mit dieser überaus attraktiven Frau zu sehen.
„Gut, dann sage ich Ihnen jetzt den wahren Grund. Ich habe Flugangst. Und ich habe befürchtet, dass Sie über mich lächeln, wenn Sie es erfahren.“
„Wovor fürchten Sie sich? Haben Sie Angst, entführt zu werden oder abzustürzen?“ „Beides.“
„Waren Sie deswegen schon bei einem Arzt?“
„Für mich gibt es keine Heilung.“ Das einzig wirksame Mittel für das weitverbreitete Leiden der nicht erwiderten Liebe war die Kündigung. Sie würde den begehrenswertesten, reichsten und bestaussehenden Scheich der Welt nie wiedersehen. Sie musste nur kündigen. Jetzt auf der Stelle. Oder warten, bis er das Büro verließ und ihm dann eine Nachricht auf den Schreibtisch legen. Doch das brachte sie nicht fertig. Sie musste weiterlügen.
„Vielleicht sind es Probleme mit den Ohren. Ich vereinbare einen Termin für Sie bei einem Spezialisten.“
„Das ist nicht nötig. Ich komme nicht mit. Jemand muss im Büro bleiben“, wehrte sie ab. Ein einziges Mal würde sie sich ihm gegenüber durchsetzen. Er konnte sie schließlich nicht gegen ihren Willen an Bord tragen. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass er sie feuerte, wenn sie nicht tat, was er verlangte. Vielleicht ist das sogar das Beste. Denn wenn er vorhat, mit seiner Braut hier in San Francisco zu leben, erspart er mir damit die Kündigung, dachte Claudia.
Die Vorstellung, dass seine Verlobte zwischendurch im Büro erschien und dann stundenlang mit ihm hinter verschlossenen Türen verschwand, war ihr unerträglich.
„Wir holen jemanden von einer Zeitarbeitsfirma, um die Telefongespräche entgegenzunehmen. Die anderen Angestellten sind ja alle da“, versuchte Sam sie zu beruhigen. „Die kommen schon zurecht. Wir sind ein kleines Familienunternehmen.“
„Ein kleines Familienunternehmen? Mit Niederlassungen auf der ganzen Welt und einem Millionenumsatz?“ „Das ist richtig. Aber das hier ist ein kleines Büro, auch wenn es zu einem großen Unternehmen gehört.“
„Jetzt hole ich aber wirklich den Kaffee.“
Mit einer schnellen Handbewegung schickte er sie fort.
„Dann gehen Sie. Die Sache ist jedenfalls geklärt – Sie kommen mit!“
Als sie sich eine Viertelstunde später stark genug für die nächste Runde fühlte und mit dem Kaffee in sein Büro trat, war es leer. Auf dem Schreibtisch lag die Nachricht, dass er einen Termin habe. Doch als sie in seinem Kalender nachsah, war dort nichts eingetragen.
Sie ging zu ihrem Arbeitsplatz, setzte sich und betrachtete, das Kinn in die Hände gestützt, das an der Wand hängende Porträt seines Großvaters. Es zeigte ihn mit fürstlicher Kopfbedeckung und seinem Lieblingspferd. Nicht mit seiner Frau, sondern mit seinem Pferd. Was verriet das über das Familienleben in Tazzatine? Sicher, auch dort war die Zeit nicht stehen geblieben. Wenn Sam sich allerdings mit einer Frau verlobte, die er nicht liebte, die er nicht einmal näher kannte, nur um seiner Familie einen Gefallen zu tun, dann waren die alten Sitten eben doch noch lebendig.
Wie gerne hätte sie das Land kennengelernt. Sie stellte sich vor, wie sie auf einem Araberpferd über die Sanddünen galoppierte. Schon lange hatte sie sich gewünscht, in einem Zelt in der Wüste zu übernachten, auf dem Markt Pfefferminztee zu trinken und die Bräuche, die Sams Kultur ausmachten, aus nächster Nähe zu erleben. Solange es sich bei den Bräuchen nicht um seine Verlobung handelte.
Wäre es eine reine Geschäftsreise gewesen, dann hätte sie sich nicht länger gesträubt. Sie würde die Fluggesellschaft anrufen und Tickets reservieren. Aber es war eben nicht rein geschäftlich. Und niemand konnte von ihr verlangen, dass sie zusah, wie der Mann, den sie liebte, sich mit einer anderen verlobte.
Bisher war es ihr nicht allzu schwergefallen, ihre Gefühle vor ihm zu verheimlichen. Selbst wenn sie länger arbeiteten und er sie anschließend nach Hause fuhr. Es war auch kein Problem für sie, ihm spätabends wichtige Unterlagen in seine
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