In der Oase
wie die auffrischende Morgenbrise die am Mast befestigte Fahne hob und sie mit einem Knall öffnete, sodass die Farben des königlichen Ägypten, Weiß und Blau, enthüllt wurden. Kamose erschrak und blickte seinen Bruder fragend an. Ahmose lächelte und hob die Schultern. »Keiner von uns hat an diese Kleinigkeit gedacht«, sagte er. »Jede Wette, dass das Großmutters Werk ist.« Kamoses Blick wanderte zum Ufer. Der Abstand zwischen dem Deck, auf dem er stand, und den warmen Steinen, auf denen sich seine Familie zusammendrängte, war bereits größer geworden, zwischen ihnen wellte sich glitzerndes Wasser. Sie sahen so klein aus, wie sie da standen, so wehrlos und verletzlich, und Mitleid mit ihnen, mit sich selbst und mit dem Land, das er in einen Krieg stürzen musste, schnürte ihm das Herz zusammen.
Dann sah er, wie sich Tetischeri von den anderen absonderte und die geballte Faust hob. Sonnenschein funkelte auf ihren silbernen Armbändern. Die Geste strahlte so viel Trotz und Überheblichkeit aus, dass sich die mitleidigen Gefühle verflüchtigten. Als Antwort hob Kamose seinerseits die geballten Fäuste und fing an zu lachen, und dann glitt sein Heim außer Sichtweite.
»Ich bin hungrig«, sagte er zu Ahmose. »Lass uns in die Kabine gehen und speisen. Bis Qebt kann uns wenig passieren, wir fahren fast den ganzen Tag durch unsere Nomarche. Hor-Aha! Leiste uns Gesellschaft!« Das ist der Anfang, jubilierte er innerlich. Die Würfel sind gefallen. Ahmose tastete nach dem Wurfstock, der an seinem Gurt hing.
»Den musste ich einfach mitnehmen«, sagte er abbittend, als ihn Kamose überrascht ansah. »Vielleicht ergibt sich ja Gelegenheit zum Jagen, wer weiß? Aber ohne Turi ist es natürlich nicht das Gleiche.«
»Nein, gewiss nicht«, antwortete Kamose. »Du und Turi, ihr habt von Kindesbeinen an zusammen gejagt. Hoffentlich hast du mir verziehen, dass ich ihn und seine Familie nach Süden schicken und außer Gefahr bringen musste. Die besonderen Fähigkeiten seines Vaters, der sich hervorragend mit der Errichtung von Festungen aus Stein auskennt, sind dieser Tage rar und könnten mir später nützlich werden. Diese Künste sind seit Hentis nicht mehr gefragt, obwohl das Wissen von Turis Vorfahren weitergereicht wurde.« Ahmose nickte zustimmend.
»Turis Vater ist es völlig zufrieden gewesen, Bootstreppen zu bauen«, versicherte er Kamose. »Er hat keine Achtung vor den Setius, die nichts von Stein halten und ihre Garnisonen aus Lehmziegeln bauen. Sie interessieren sich überhaupt nicht für Steinmonumente und sind unter einer dünnen Schicht von Prunkentfaltung immer noch richtige Wilde.«
»Dennoch«, sagte Kamose grimmig, »sollen die Mauern der Setiu-Festungen sehr hoch und unnachgiebig wie Fels sein. Wir werden ja sehen. Gibt es frisches Brot?«, fragte er den geduldigen Diener. »Und ein wenig Käse? Gut. Dann wollen wir speisen.«
Am frühen Nachmittag erreichte die Flotte Qebt, und binnen kurzer Zeit nach ihrer Ankunft stellte sich Fürst Intef, gefolgt von seinen Beamten, ein. Kamose beantwortete seinen Fußfall höflich und verbarg seine Erleichterung, als Intef, ihn zu Erfrischungen in sein Haus bat. Insgeheim hatte er sich gesorgt, die Fürsten, die auf seine Aufforderung hin nach Waset gereist und nur wenig begeistert heimgefahren waren, könnten in Stunden einsamer Überlegungen an ihren eigenen Fischteichen rasch anderen Sinnes geworden sein, doch da stand zumindest ein Nomarch, der den Auftrag seines Gebieters ausgeführt hatte.
Nachdem man Intefs Gemahlin und Familie begrüßt und einen Becher Wein getrunken hatte, der in dem kühlen Empfangssaal des Fürsten gereicht wurde, schickte Kamose nach dem Rekrutenschreiber, dem Armeeschreiber und Hor-Aha. Im Arbeitszimmer des Fürsten ging es dann zur Sache. »Die Division Fußsoldaten dürfte uns erst spätabends eingeholt haben«, sagte er zu Intef, als sie um dessen Schreibtisch herum Platz nahmen. »Wenn deine zusätzlichen Truppen aufgelistet sind, Intef, möchte ich mit einem kleinen Boot nach Kift fahren und Min im dortigen Tempel meine Ehrerbietung erweisen. Das ist nur sieben Meilen flussabwärts gelegen, und Min ist natürlich eine Art Amun, darum muss ich ihm huldigen. Hast du einen Stellvertreter ernannt?« Intef nickte zustimmend.
»Majestät, ich bin bereit, so gut es geht«, erwiderte er.
»Diese Nomarche untersteht jetzt dem fähigen stellvertretenden Gouverneur in Kift.« Er rutschte auf seinem Sitz hin und her. »Unter den
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