In der Südsee. Zweiter Band
Büchsenschüsse aus dem Nichts gerufen. Am folgenden Morgen erfreute uns der gleiche Zauberer durch ein weiteres Wunder: eine mystische Rampe schloß uns ein, so daß der Weg, der an unserer Tür vorbeiführte, plötzlich unpassierbar wurde und die Bevölkerung, die am anderen Ende der Insel etwas zu erledigen hatte, gezwungen war, einen weiten Bogen zu machen. Wir aber saßen in durchsichtiger Abgeschlossenheit, sehend, gesehen, aber unnahbar wie Bienen in einem gläsernen Stock da. Das äußerliche, sichtbare Zeichen dieses Mirakels bestand aus nichts mehr und nichts weniger als ein paar zerfetzten Girlanden von Kokosblättern, die um die Stämme der umstehenden Palmen geschlungen waren, deren Bedeutung jedoch in der allgewaltigen, heiligen Macht des Tapu und der Gewehre Tembinok's ruhte.
Wir weihten unsere improvisierte Stadt noch am gleichen Abend durch die erste Mahlzeit ein. Zwei Monate wollten wir an unserem neuen Wohnorte bleiben, und sobald wir ihn nicht mehr brauchten, sollte er, ganz wie er entstanden war, innerhalb von Tagesfrist wieder verschwinden. Seine Elemente mußten dorthin zurückkehren, woher sie gekommen waren; das Tapu wurde aufgehoben, der Verkehr auf der Straße wieder eröffnet werden. Sonne und Mond sollten vergeblich zwischen den Palmen nach dem geschwundenenWerke spähen, und die Winde über einen leeren Bauplatz fegen. Und doch schien dies ganze Gebilde, das jetzt nur noch als eine Episode in unseren Erinnerungen weiterlebt, für Jahre gebaut, ja, über die Maßen dauerhaft. Es war ein äußerst rühriges Dörfchen. Die eine Maniap' diente uns als Eßzimmer, die andere als Küche. Die Häuser wurden nur zum Schlafen gebraucht. Sie waren nach dem bewährten Apemama-Plan konstruiert, auf Grund dessen bei weitem die besten Häuser in der ganzen Südsee entstehen und lagen etwa drei Fuß über dem Erdboden erhöht. Die Seitenwände bestanden aus geflochtenen Matten, die man hochheben konnte, um Licht und Luft den Eintritt zu gestatten, und die, heruntergelassen, Wind und Regen aussperrten: luftig, hygienisch, sauber und wasserdicht. Außerdem hatten wir eine ganz fabelhafte Henne; meiner Erfahrung nach ein einzigartiges Exemplar, denn gelegentlich legte sie auch Eier. Dicht am Hause lag ein Garten, in welchem meine Frau Salat und Schalotten zog. Der Salat wurde von dem Huhn verschlungen – und sollte ihm schlecht bekommen. Die Schalotten jedoch gelangten blattweise auf die Tafel und wurden mit dem Genuß und dem Behagen verzehrt, als wären sie Pfirsiche. Toddy und grüne Kokosnuß bekamen wir täglich geliefert, und einmal schenkte uns der König Fische, ein anderes Mal sogar eine Schildkröte. Manchmal schossen wir am Strande sogenannte Kiebitze, manchmal auch wilde Hühner im Busch. Das übrige Essen wurde aus Konservenbüchsen geschöpft.
Unsere Beschäftigungen waren zahlreich. Während ein Teil der Gesellschaft aus die Skizzenjagd ging, hämmertenMr. Osbourne und ich einen Roman zurecht. Wir lasen einander Gibbon und Carlyle vor, bliesen Flageolett, zupften Gitarre, photographierten im Sonnenlicht, bei Mondschein, bei Blitzlicht, und manchmal spielten wir auch Karten. Ein Teil unseres Nichtstuns ging auf die wirkliche Jagd drauf. Ich selbst habe ganze Nachmittage mit der aufregenden aber gänzlich harmlosen Beschäftigung des Pistolenschießens nach allerlei geflügeltem Getier verbracht; ein Glück nur, daß sich bessere Schützen unter uns befanden, und daß der König uns eine passendere Waffe in Gestalt eines ausgezeichneten Jagdgewehres lieh, sonst wäre es um unsere magere Kost noch schlechter bestellt gewesen.
Die richtige Zeit, unsere Stadt zu besichtigen, war aber des Nachts, wenn der Mond am Himmel stand, die Lampen angezündet waren und im Küchenhaus noch Feuer brannte. Wir litten unter einer Plage von Fliegen und Moskitos, die ein würdiges Gegenstück zu den ägyptischen Plagen war; unser Eßtisch, den wir (wie alle unsere Möbel) vom König entliehen hatten, mußte ständig unter einem Netzzelt stehen, das unsere Zitadelle, unsere einzige Zufluchtsstatt, war. Nachts glühte der Platz vor Helligkeit und strahlte und leuchtete unter dem Giebel in das Dunkel hinaus wie eine monströse Lampe unter ihrem Schirm. Unsere Schlafräume, deren Wände in den mannigfachsten Ebenen durcheinander ragten, warfen seltsame, eckige Lichtreflexe in die Nacht. In der bedachten, offenen Küche sah man Ah Fu zwischen den Töpfen hantieren. Über alles aber ergoß sich von Zeit zu Zeit
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