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In der Südsee. Zweiter Band

Titel: In der Südsee. Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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der Glanz und die Pracht weichen, sanftesten Mondlichts. Der Sand glitzerte wieDiamantenstaub; die Sterne waren verblaßt. Von Zeit zu Zeit schwirrte ein dunkler Nachtvogel mit langsamem, schwerfälligem Flügelschlag unter der Kolonnade von Bäumen dicht an uns vorbei und stieß seinen heiseren, krächzenden Ruf aus.
Drittes Kapitel. Der König von Apemama: der Palast der vielen Frauen
    Der Palast, vielmehr die Fläche, die er einnimmt, dehnt sich über mehrere Acres aus. Nach der Lagune zu schließt ihn eine Terrasse ab, nach der Landseite eine Palisade mit einer Reihe von Toren. Das Ganze ist jedoch schwerlich für eine Verteidigung eingerichtet; ein kräftiger Mann könnte ohne weiteres die Rampe herunterreißen, und er brauchte auch nicht sonderlich gelenkig zu sein, um vom Strande aus die Terrasse zu erklettern. Es stehen weder Schildwachen, noch Soldaten, noch Waffen zur Schau; das ganze Arsenal wird unter Verschluß gehalten; die einzigen Posten sind ein paar unansehnliche alte Weiber, die Tag und Nacht vor den Toren herumlungern. Am Tage sind diese alten Gevatterinnen häufig mit Syrupkochen oder anderen häuslichen Arbeiten beschäftigt; nachts liegen sie im Schatten im Hinterhalt oder hocken auf der Palisade, erfüllen das Amt von Eunuchen des königlichen Harems und sind die einzigen Hüter von Tembinok's Leben.
    Weibliche Wachen sind hier vor den Toren des Palastes der vielen Frauen sehr am Platze. Wieviele Gattinnen der König hat, geht über mein Schätzungsvermögen, und von ihren Funktionen habe ich auch nur eine schwache Vorstellung. Er selbst wurde verlegen, wenn man von ihnen als von seinen Ehefrauen sprach, nannte sie seine »Pamile« und setzte uns auseinander,sie wären seine »Kussinen« (Kusinen). Vier von der ganzen Schar fielen uns besonders auf: die Königinmutter, seine Schwester (eine ernste, energische Frau, die viel von ihres Bruders Intelligenz besaß) die eigentliche Königin, der (und nur der allein) meine Frau offiziell vorgestellt wurde, und die augenblickliche Favoritin, ein hübsches, graziöses Mädchen, das dauernd um den König beschäftigt war, und das ihn einmal (als er Tränen vergoß) durch ihre Liebkosungen tröstete. Allein man versicherte mir, selbst seine Beziehungen zu ihr wären rein platonisch. Im Hintergrunde betätigte sich dann noch ein ganzes Heer von Damen, magere, rundliche, mammutartige, einige in losen Gewändern, andere mit dem haarschmalen Ridi bekleidet; hochgeborene und plebejische, Sklavinnen und Gebieterinnen, von der Königin an bis zur Küchenmagd, von der Favoritin bis zu den zerlumpten Schildwächterinnen auf der Palisade. Natürlich gehörten nicht alle von ihnen zu »meiner Pamile« – viele waren nur Dienstboten, doch teilte sich eine erstaunliche Anzahl in die Verantwortlichkeit, die das königliche Vertrauen mit sich brachte. Es gab Schlüsselhüterinnen, Schatzmeisterinnen, Arsenalverwalterinnen, Wäschebewahrerinnen, Verwalterinnen der Vorräte. Jede kannte ihr Amt und verwaltete es bis zur Vollendung. Wurde irgend etwas gebraucht – ein besonderes Gewehr, oder ein spezielles Stück Stoff: stets wurde die richtige Königin gerufen; stets erschien sie mit der richtigen Kiste, öffnete sie in Gegenwart des Königs und zeigte das ihr anvertraute Gut in tadellosester Ordnung – die Gewehre gereinigt und geölt, die Stoffe hübsch saubergefaltet. Ohne Hast und ohne jede Verzögerung und mit einem Minimum von Gerede lief dieser Riesenhaushalt lautlos wie eine gutgeschmierte Maschine. Nirgends wieder habe ich eine derart vollständige und umfassende Ordnung gesehen. Und doch mußte ich dabei fortwährend an die alten Nordlandssagen von den Trollen und Riesen denken, die der Sicherheit wegen ihre Herzen in der Erde vergraben hielten und gezwungen waren, das Geheimnis ihren Frauen anzuvertrauen. Denn das Leben Tembinok's hängt von derartigen Mitteln ab. Er trachtet durchaus nicht nach Popularität, sondern schindet und beherrscht seine Untertanen mit einer so vollkommenen Macht, daß man nicht umhin kann, ihn zu bewundern, so schwer es einem auch wird, damit zu sympathisieren. Sollte sich eine der vielen Frauen als treulos erweisen, wird insgeheim einmal das Arsenal geöffnet, nickt eine der alten Weiber vor den Toren ein und finden die Waffen unbemerkt ihren Weg ins Dorf, so ist eine Revolution, die aller Wahrscheinlichkeit nach mit Tod enden würde, so gut wie sicher, und der Geist des Tyrannen von Apemama würde sich zu seinen Vorgängern von

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