In der Südsee. Zweiter Band
Mariki und Tapituea versammeln. Und doch sind die, denen er vertraut, nichts als Frauen und obendrein noch untereinander Rivalinnen.
Zwar gibt es auch ein Ministerium und einen Stab von Männern: den Koch, den Hausmeister und verschiedene Superkargos: die ganze Hierarchie eines Schoners. Die Spione, »seiner Majestät Tageszeitungen«, wie wir sie nannten, kamen allmorgendlich, um ihm Bericht zu erstatten, dann aber sofort wiederzu verschwinden. Der Koch und der Hausmeister haben nur mit der Tafel zu tun. Die Superkargos, deren Pflicht es ist, für drei Pfund monatlich und gewisse Prozente die Kopra zu zählen, betreten nur selten den Palast, und zum mindesten zwei von ihnen sind auf anderen Inseln beschäftigt. Einzig der Zimmermann, der schlaue, vergnügte alte Rubam – Ruben vielleicht? – der nach meinem letzten Besuch zu der höheren Würde eines Gouverneurs aufgerückt war, ist täglich dort zu sehen und hat mit Änderungen, Erweiterungen und Verschönerungen, sowie mit der Ausführung der zahllosen Erfindungen seiner Majestät vollauf zu tun; und mitunter pflegt der König einen Nachmittag damit zuzubringen, daß er Rubam bei der Arbeit zusieht und sich mit ihm unterhält. Trotzalledem bleiben die Männer Outsiders; keiner von ihnen scheint bewaffnet zu sein, keinem wird ein Schlüssel anvertraut; noch vor der Abenddämmerung haben sie in der Regel den Palast verlassen, und die Lasten der Monarchie sowie des Monarchen Leben ruhen einzig auf den Schultern der Frauen.
Dieser Haushalt ist in der Tat völlig von den unsrigen verschieden und hat noch weniger mit einem orientalischen Harem etwas gemein: wir sehen hier einen älteren, kinderlosen Mann, der unter ständiger Bedrohung seines Lebens einsam inmitten einer Schar von Frauen jeden Alters, jeden Standes und jeder verwandtschaftlichen und persönlichen Beziehung lebt – mit Mutter, Schwester, legitimer Frau, Konkubine, Favoritin von heute und mit dem Liebling von gestern. So haust er unter ihnen, ihr alleiniger Herr, das einzige männlicheWesen, die Quelle aller Ehren, Kleider und Leckerbissen, das einzige Ziel der mannigfachsten Hoffnungen und Wünsche. Ich zweifle, ob sich in Europa ein Mann finden würde, kühn genug, um dieses Meisterstück an Takt und Regierungskunst zu versuchen. Zudem soll bei Tembinok' zu Anfang durchaus nicht alles glatt gegangen sein. Ich hörte, daß er einmal eine Frau wegen irgendeiner Leichtfertigkeit an Bord eines Schiffes eigenhändig erschossen hätte. Ein anderes Mal, als es sich um ein ernsteres Vergehen handelte, spielte er ausdrücklich den Henker, stellte den Leichnam öffentlich zur Schau und ließ ihn (um die Warnung wirkungsvoller zu gestalten) vor den Toren seines Palastes verfaulen. Zweifellos erleichtert ihm die erhöhte Zahl seiner Jahre sein Werk, denn es ist leichter in so ausgedehntem Maße, den Vater als den Gatten zu spielen. Heute ist er so weit, daß sich, wenigstens vor den Augen des Fremden, alles glatt abwickelt, und die Frauen scheinen stolz auf ihr Amt, stolz auf ihren Rang und stolz auf ihren schlauen Gebieter zu sein.
Ich hatte sogar den Eindruck, daß sie mit dem Mann Heldenkult trieben. Ein beliebter Lehrer in einer Mädchenschule vermittelt vielleicht am ehesten noch einen Begriff von Tembinok's Rolle. Aber ein Lehrer ißt, schläft, wohnt nicht und wäscht auch nicht seine schmutzige Wäsche inmitten seiner Verehrerinnen; er entgeht ihnen von Zeit zu Zeit, besitzt sein eigenes Zimmer und führt ein Leben für sich, ja, selbst wenn ihm nichts anderes bleibt, hat er doch seine Ferien. Der unglückliche Tembinok' dagegen befindet sich stets auf der Bühne und in Spannung.
Während all meines Kommens und Gehens habe ich ihn kein einziges Mal grob werden oder das geringste Mißfallen ausdrücken hören. Ein ausgesprochenes, etwas schwerfälliges Wohlwollen – das Wohlwollen eines Menschen, der des Gehorsams sicher ist – zeichnete ihn in allen Dingen aus, so daß ich manchmal an Samuel Richardson und seinen Kreis bewundernder Frauen erinnert wurde. Die Gattinnen sagten auch ganz offen ihre Meinungen, wie die Ehefrauen bei uns daheim – oder sagen wir, wie blind anbetende, aber durchaus zu verehrende Tanten. Im großen und ganzen bin ich daher der Ansicht, daß er sein Serail weit mehr durch List als durch Gewalt beherrscht. Wer eine andere Auffassung vertritt (ohne die Möglichkeiten zur Beobachtung gefunden zu haben, die mir zur Verfügung standen), wird vielleicht nicht die nötigen
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