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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Privatleben, und wenn er nichts von dem besitzt, so hat er wenigstens seine Ferien, während der unglücklichere Tembinok' immer im vollen Rampenlicht ohne jede Deckung lebt.
    Sooft ich kam und ging, hörte ich ihn niemals streng sprechen oder das geringste Mißfallen ausdrücken. Äußerste, vielleicht ein wenig schwerfällige Güte – die Güte eines Mannes, der sicher ist, daß man ihm gehorcht – zeichnete sein Leben aus, so daß ich manchmal erinnert wurde an Samuel Richardson im Kreise der ihn bewundernden Frauen. Die Frauen sprachen offen und schienen ihre Ansichten zum besten zu geben, wie unsere Frauen daheim oder, besser gesagt, wie kindische, aber ehrwürdige Tanten. Im großen ganzen beherrschter, glaube ich, sein Serail weit mehr durch Geschicklichkeit als durch Strenge, und diejenigen, die anders darüber berichten, und von denen keiner meine Beobachtungsmöglichkeiten besaß, versäumten vielleicht die Rangunterschiede festzustellen und zwischen der »Familie« und den Anhängseln, den Wäscherinnen und den Prostituierten, zu unterscheiden.
    Ein bemerkenswertes Ereignis ist das abendliche Kartenspiel, wenn die Lampen auf die Terrasse gebracht sind und »ich und meine Familie« stundenlang um Tabak spielen. Es ist höchst charakteristisch für Tembinok', daß er sein eigenes Spiel für sich erfinden mußte, und höchst charakteristisch für seine Hausgenossinnen, die ihn so verehren, daß sie auf die absurde Erfindung schwören. Das Spiel ist eine Abart vom Poker, wird mit den Trümpfen von mehreren Pack Karten gespielt und ist unglaublich langweilig. Aber ich habe eine Leidenschaft für alle Spiele und studierte es, und ich bin wohl der einzige Weiße, der die Regeln ungefähr begriffen hat, weswegen mich die Weiber, mit denen ich sonst nicht auf vertrautem Fuße stand, laut bewunderten. Darüber gab es keine Täuschung, es war eine ehrliche Empfindung, sie waren stolz auf ihr Privatspiel, waren durch die Interesselosigkeit, die andere dafür zeigten, ins Herz getroffen und sonnten sich in meiner schmeichelhaften Aufmerksamkeit. Tembinok' setzt doppelt und erhält dafür eine doppelte Anzahl Karten, aus denen er seine Auswahl trifft, ein listiges Manöver, das die Frauen in all den langen Jahren noch nicht durchschaut haben. Wenn er mit mir persönlich sprach, machte er nicht das geringste Geheimnis daraus, daß er immer gewinnen mußte, undso erklärte er auch seine neuliche Freigebigkeit an Bord der »Equator«. Er ließ die Frauen ihren eigenen Tabak kaufen, was ihnen im Augenblick Vergnügen machte. Er gewann ihn zurück im Kartenspiel, was ihn von neuem und ohne weitere Ausgaben zum alleinigen Urquell aller Freuden machte, wie er es zu sein wünschte. Und er schloß die Erzählung mit jenem Satz, mit dem er jeden Bericht über seine Politik endete: »Besser so!«
    Das Palastgrundstück ist ausgelegt mit gestampften Korallen, die Augen und nackte Füße quälen, aber ausgezeichnet geharkt und gejätet sind. Zwanzig oder mehr Gebäude liegen verstreut an einer Art Straße, die an der Palisade entlang führt, und am Rande der Terrasse: Wohnhäuser für die Frauen und Diener, Lager für des Königs Kostbarkeiten und Schätze, geräumige Maniap's für Festlichkeiten oder Staatssitzungen, manche auf Holzsäulen, andere auf Mauerpfeilern. Eins befand sich noch im Bau, die neueste und letzte Erfindung des Königs: ein europäisches Fachwerkhaus, das, um Kühle zu erzielen, in einen hohen Maniap' hineingebaut wurde: das Dach besteht wie ein Schiffsdeck aus Brettern und kann gehoben werden, so daß ein schattiger, abgeschlossener Promenadenplatz entsteht. Hier verbrachte der König ganze Stunden mit Rubam, und ich gesellte mich manchmal zu ihnen. Das Haus sieht ganz einzigartig aus, und ich muß sagen, daß mich die Phantasie des Architekten stark fesselte, und daß ich mit Vergnügen an ihren Beratungen teilnahm.
    Hatten wir am Tage irgend etwas bei Sr. Majestät zu erledigen, so schlenderten wir durch den Sand an den Zwergpalmen vorbei, tauschten mit der alten Frau,die gerade Wache hatte, ein »Konamaori« aus und betraten das Grundstück. Die weite Korallenfläche lag glitzernd und leer vor uns, alle waren von dem riesigen Platz hinter dunkle Vorhänge geflüchtet. Manchmal suchte ich das Labyrinth dieses Platzes ab, um den König zu finden, und das einzige lebende Wesen, das ich entdeckte, wenn ich unter die Pfosten eines Maniap's blickte, war der sehnige Leib eines der Weiber, die wie eine nackte

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