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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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diese Geschichte zuerst hörte, machten mich die Zeitangaben stutzig, aber ich bin jetzt geneigt, sie für richtig zu halten. Zu Anfang meines Besuches zum Beispiel, oder im Spätjahr vorher, tauchte ein Fall von Phthisis in einer Hausgemeinschaft von siebzehn Personen auf, und im August, als man mir davon berichtete, lebte nur noch ein Knabe, der auf einer auswärtigen Schule gewesen war. Die Entvölkerung hat zwei Ursachen: die Tore des Todes stehen weit offen, und die Tore der Geburten sind fast geschlossen. So verzeichnete man im ersten Halbjahr 1888 zwölf Todesfälle und nur eine Geburt im Distrikt von Hatiheu. Sieben oder acht weitere Todesfälle waren nach menschlichem Ermessen noch zu erwarten, und Mr. Aussel, der diensthabende Gendarm, wußte nur von einer bevorstehenden Geburt. Unter solchen Umständen ist die Abnahme der Bevölkerung von sechshundert auf vierhundert im Laufe von vierzig Jahren nicht verwunderlich, Ziffern, die nach den Angaben von Mr. Aussel richtig geschätzt sind. Und das Tempo des Verfalls muß sich zum Schluß noch vergrößert haben.
    Auf dem Landwege von Anaho nach Hatiheu an der nächsten Bucht kann man sich von der Entvölkerung ein richtiges Bild machen. Der Weg ist gut gangbar, aber grausam steil. Wir schienen an dem verlassenen höchsten Haus von Anaho soeben erst vorüber zu sein, als wir auch schon erstaunt auf das Dach blickten; die »Casco«, weit draußen in der Bucht, stark rollend, schrumpfte sichtbar zusammen, und bald sah man Ua-huna durch ein Loch der Landzunge von Tari wie eine Wolke amHorizont schweben. Jenseits des Gipfels, wo der Wind sehr kalt wehte, durch die schilfartigen Gräser pfiff und den Grasbehang des Pandanus zerzauste, gelangten wir plötzlich wie durch ein Tor in das nächste Tal und zur Bucht von Hatiheu. Ein Gebirgsmassiv umschließt das Tal von drei Seiten. Auf der vierten ist dies Bollwerk zersprengt zu Ruinen, stürzt abwärts zur See in steilen und zerklüfteten Felsblöcken und bildet so die einzige wegbare Bresche zu der blauen Bucht. Das Innere dieses Tales ist dicht bewachsen mit lieblichen und wertvollen Bäumen: Orangen, Brotfrucht, Mumienäpfeln, Kokospalmen, der Inselwallnuß und, an Stelle von Unkraut, mit Pinien und Bananen. Vier nie versiegende Flüsse halten es feucht und grün, und an den Ufern des einen und dann des andern führt der Weg ziemlich weit hinab in dies glückliche Tal. Der Sang der Wasser und der vertraute Anblick zerstreuter Felsblöcke erinnerte uns lebhaft an die Heimat, aber der Eindruck wurde, ehe wir ihn recht genossen, wieder zerstört durch das tropische Laubwerk, den sonderbaren Wuchs des Pandanus, die Säulenstämme der Banyan, die im Busch galoppierenden schwarzen Schweine und die Architektur der Eingeborenenhäuser.
    Die Häuser auf der Hatiheuseite begannen hoch oben, noch höher aber der traurige Anblick verlassener Plattformen. Wenn ein Eingeborenenhaus leer steht, verrottet der Oberbau – Pandanusstroh, Bast, wenig haltbares tropisches Holz – sehr rasch und wird durch den Wind zerstreut. Nur die Steine der Terrasse bleiben, und keine Ruine, kein Grab, kein ragender Fels und keine zerstörte Festung kann ein traurigeres Bild des Alters darbieten. Wir müssen an sechs bis achtsolcher häuserloser Plattformen vorübergekommen sein. An der Hauptstraße der Insel, wo sie das Tal von Taipi durchquert, sollen sie, wie mir Mr. Osbourne erzählt, zu Dutzenden stehen, und da die Straßen lange nach dem Bau der Häuser angelegt wurden, vielleicht sogar nach der Räumung, und einfach als Linien anzusehen sind, die willkürlich durch den Busch laufen, so muß der Wald zu beiden Seiten mit diesen Überbleibseln angefüllt sein: Grabdenkmälern ganzer Familien. Solche Ruinen sind streng tabu, kein Eingeborener darf sich ihnen nähern, sie sind zu Schildwachen des Königreiches der Gräber geworden. Es könnte scheinen, als ob es sich um eine natürliche und fromme Sitte der Hunderte handelte, die von untergegangenen Tausenden übrigblieben, sie wollten den Herd der Vorfahren nicht mit Füßen treten. Ich glaube jedoch, daß die Sitte auf anderen und düstereren Vorstellungen beruht. Haus, Grab und selbst der Körper des Toten wurden von den Marquesanern stets besonders geehrt. Bis vor einiger Zeit wurde ein Leichnam bisweilen von der Familie aufbewahrt und täglich eingeölt und gesonnt, bis er allmählich nach vielen Unannehmlichkeiten zu einer Art Mumie eintrocknete. Opfergaben werden noch heute auf die Gräber

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