In der Südsee
Band der Insel, ringsherum das weite Meer und die Feuer des Sonnenunterganges sehen. Aber dieser Gesang hatte einen ernsthaften Charakter und schien vom Erdboden aufzusteigen. Meine Frau drang eine Strecke ins Dickicht vor, sah einen freien Platz, in der Mitte eine Matte ausgebreitet und auf der Matte einen Kranz von weißen Blumen und einen der Teufelswerkkästen. Eine Frau, vermutlich Frau Terutak', saß davor, beugte sich bald über den Kasten wie eine Mutter über eine Wiege, bald hob sie das Gesicht und sandte ihren Gesang zum Himmel. Ein vorübergehender Palmweinzapfer erzählte meiner Frau, daß sie bete. Vielleicht betete sie nicht, sondern leistete Abbitte, und vielleicht war es auch eine Zeremonie der Entzauberung. Denn der Kasten war bereits zur Auslieferung bestimmt, er sollte Abschied nehmen von seinem grünen Medizinraum, seiner ehrwürdigen Umgebung und seinen frommen Hütern, er sollte in die Hand der Ungläubigen geraten, drei Ozeane überqueren, ans Land gebrachtwerden unter der Narrenkappe der Sankt-Pauls-Kathedrale, aufgestellt werden in der Nähe von Lillie Bridge, dort sollte ihn ein englisches Stubenmädchen abstauben, und vielleicht würde er den Lärm Londons mit der Stimme des Meeres am Riff verwechseln. Bevor wir noch unser Mittagessen beendet hatten, hatte Tschentsch seine Reise angetreten, und eine der »Tageszeitungen« hatte bereits den Kasten auf meinen Tisch niedergesetzt als Ehrengabe von Tembinok'.
Ich eilte sofort zum Palast, dankte dem König, aber bot ihm an, den Kasten zurückzugeben, denn es sei mir ein unerträglicher Gedanke, daß die Kranken der Insel durch mich leiden sollten. Seine Antwort versetzte mich in das größte Erstaunen. Terutak', so schien es, hatte drei oder vier Kästen für alle Fälle in Reserve, und sein Zögern und die Furcht, die sich zunächst auf jedem Antlitz zeigte, war nicht im geringsten hervorgerufen durch den Gedanken, man sei in Zukunft ärztlicher Hilfe beraubt, sondern durch die unmittelbare Anwesenheit des göttlichen Tschentsch. Um so höher schätzte ich den Befehl des Königs ein, der imstande gewesen war, augenblicklich und unentgeltlich ein Geschenk zu erzwingen, das als Sakrileg aufgefaßt wurde, und das ich vergeblich mit Millionen zu erlangen versucht hatte! Aber nun hatte ich eine schwierige Aufgabe vor mir. Es lag nicht in meiner Absicht, daß Terutak' unter seiner Tugendhaftigkeit leiden sollte, und ich mußte den König zu meiner Ansicht bekehren, damit er mir gestatte, einen seiner Untertanen zu bereichern und, was noch heikler war, für das Geschenk zu bezahlen. Nichts zeigt den König in schönerem Licht als die Tatsache, daß ich Erfolg hatte. Zunächst erhober Einwendungen aus prinzipiellen Gründen, dann ereiferte er sich wegen der Summe. »Viel Geld!« rief er verächtlich und mißfällig aus. Aber sein Widerstand war nicht ernst, und als sein Mißmut verflogen war, sagte er: »Gut, Ihr ihn haben, besser so.«
Mit dieser Erlaubnis ausgerüstet, ging ich sofort zum Krankenhaus. Die Nacht war jetzt gekommen, kühl, dunkel und sternenklar. Dicht bei einem hellen Feuer von Holz und Kokosnußschalen lag Terutak' auf einer Matte neben seiner Frau. Beide lächelten, die Angst war vorüber, der Befehl des König hatte, wie ich annehmen mußte, ihre Unruhe und Zweifel beseitigt, und sie baten mich, neben ihnen Platz zu nehmen und die kreisende Pfeife mit ihnen zu teilen. Ich war selbst ein wenig bewegt, als ich die fünf Goldstücke in des Zauberers Hand legte, aber kein Zeichen der Erregung war in Terutak's Gesicht, als er sie mir zurückreichte, auf den Palast zeigte und den Namen Tembinok's aussprach. Wie verwandelt war der Anblick, als es mir gelungen war, ihm alles zu erklären. Terutak', der lange, trockene, schottische Fischer, der er war, drückte seine Zufriedenheit maßvoll aus, aber sein Weib frohlockte, und es war ein alter Herr anwesend – ich glaube, ihr Vater –, der nahezu entzückt schien. Seine Augen drangen ihm aus dem Kopf: »Kaupoi! – reich, reich!« kam es immer wieder von seinen Lippen, und er konnte meinem Blick nicht begegnen, ohne in kindliches Gelächter auszubrechen. So konnte ich also nach Hause gehen, die Familie bei ihrem Feuer, glückselig über die neuen Millionen, zurücklassen und über den sonderbaren Tag nachdenken. Ich hatte die Tugendhaftigkeit Terutak's geprüft und belohnt. Ich hatteden Millionär gespielt, mich schandbar benommen und dann in gewissem Sinne meine Gedankenlosigkeit wieder
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