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In der Südsee

Titel: In der Südsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Stimme, die er trotzdem für schön erklärte, und die die Sänger richtig begleitete. Am nächsten Tage stellte er Nachforschungen an. »Es ist ein Geist,« sagte der Prophet mit voller Einfältigkeit, »der in letzter Zeit an unserem Familiengottesdienst teilzunehmen pflegt.« Scheinbar war das Wesen nicht sichtbar, und wie andere Geister, die in diesen Tagen des Verfalls in der Heimat aufstehen, war es gänzlich ungebildet; zuerst konnte es nur summen, und erst in letzter Zeit hatte es gelernt, seine Rolle bei der Musik richtig zu spielen.
    Die Veranstaltungen der Pfeifer tragen einen mehr geschäftlichen Charakter. Ihre Versammlungen werden öffentlich bei unverschlossenen Türen abgehalten, alle sind herzlich eingeladen teilzunehmen; die Gläubigen sitzen in einem Raum und singen Hymnen nach einem Bericht, nach einem anderen singen und pfeifen sie abwechselnd; der Führer der Zauberer – vielleicht darf ich sagen, das Medium – sitzt in der Mitte, eingehüllt in ein Laken, und schweigt. Und bald darauf ertönt genau über seinem Kopf oder manchmal von der Mitte des Daches ein Pfeifen aus der Luft, das Unerfahrene in Staunen versetzt. Das, so scheint es, ist die Sprache der Toten, ihre Ausdeutung wird ununterbrochen von einem der Eingeweihten festgehalten, der, wie man mir erzählte, »so schnell wie ein Telegraphist«schreibt, und schließlich werden die Mitteilungen öffentlich bekanntgegeben. Sie sind von verwegenster Trivialität: ein Schoner wird vielleicht angezeigt, irgendeine lächerliche Nachricht über einen Machbar gegeben, oder wenn der Geist im Falle einer Krankheit zur Konsultation gerufen wurde, wird vielleicht ein Heilmittel empfohlen. Eine von diesen Kuren, das Eintauchen in kochend heißes Wasser, erwies sich vor nicht langer Zeit verhängnisvoll für den Patienten. Die ganze Sache ist äußerst langweilig, äußerst töricht und äußerst europäisch. Sie besitzt nichts von den malerischen Qualitäten ähnlicher Beschwörungen auf Neuseeland und scheint nicht die Spur von Sinn zu besitzen, wie manche Gebräuche der Gilbertinsulaner, die ich beschreiben werde. Doch erzählte man mir, daß viele ernsthafte und kluge Eingeborene eingeschworene Pfeifer seien. »Wie Mahinui?« fragte ich, um einen Maßstab zu haben, und man antwortete mir: »Ja.« Warum sollte ich mich wundern? Gebildetere Leute als mein Sträflingkatechet setzen sich in der Heimat nieder zu ähnlich unnützen und langweiligen Torheiten.
    Das Medium ist manchmal eine Frau. Eine Frau war es zum Beispiel, die diese Bräuche an der Nordküste von Taiarapu einführte zur Entrüstung ihrer eigenen Verwandten, wobei besonders ihr Schwager erklärte, sie sei betrunken. Aber was in Tahiti unmöglich war, schien für die Paumotus sehr geeignet, zumal gewisse Frauen dort die natürliche Gabe einzigartiger und nützlicher Kräfte besitzen. Man sagt, es handle sich um ehrbare, gutwillige Frauen, die sich manchmal durch das unheimliche Erbe belastet fühlen. Und in der Tatist die Unbequemlichkeit, die durch diese Gabe verursacht wird, so groß und der Schutz, den man den Frauen gewährt, so unendlich gering, daß ich mich nur zögernd entschließe, sie als Gabe oder als vererbten Fluch zu bezeichnen. Man kann einer solchen Frau den Kokosnußhain rauben, ihre Kanus stehlen, ihr Haus niederbrennen und ihre Familienmitglieder rücksichtslos niedermetzeln: etwas darf man nicht tun, man darf nicht die Hand auf ihre Schlafmatte legen, oder der Leib des Übeltäters schwillt an, und er kann nur durch die Frau selbst oder ihren Mann geheilt werden. Hier ist der Bericht eines Augenzeugen, der ein geborener Tasmanier war, wohlerzogen, ein Mann mit Vermögen, sicherlich kein Narr. Im Jahre 1886 weilte er in einem Hause auf Makatea, wo zwei Knaben auf den Matten Unfug trieben und, wie ich glaube, hinausgeworfen wurden. Bald nachher begannen ihre Bäuche anzuschwellen, Schmerzen überfielen sie, alle möglichen Inselheilmittel wurden vergeblich angewandt, Reiben vermehrte nur ihre Qualen. Der Herr des Hauses wurde gerufen, gab eine Erklärung ab über die Natur der Heimsuchung und bereitete das Heilmittel vor. Eine Kokosnuß wurde geschält, mit Kräutern gefüllt und unter allen Zeremonien eines Stapellaufes und Beschwörungen in paumotuanischer Sprache dem Meere anvertraut. Von diesem Augenblick an wurden die Schmerzen geringer, die Qualen nahmen ab. Der Leser mag staunen. Ich kann ihm versichern, daß er, wenn er sich viel unter den alten Einwohnern des

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