In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
roten Longsleeve vor mir stand, und in mir krampfte sich alles zusammen. Shane musste es gewesen sein, der mich noch in letzter Sekunde von der Straße wegreißen wollte; wenn jemand nicht hierhergehörte, dann er. Ich ertrank in einem überwältigenden Gefühl der Schuld.
»Hallo, Amber.« Ein bildschönes Mädchen mit langen silberblonden Haaren und türkisblauen Augen, zwei winzige Leberflecke auf der linken Wange wie das Tüpfelchen auf einem i, verschränkte seine Finger mit denen Shanes und schmiegte sich an ihn. Lauren, die barfuß, in zerrissenen Jeans und in einer sommerlichen weißen Tunika mit Häkelspitze aussah, als wollte sie zu einer Strandparty. Ich dachte daran, wie ich Shane geküsst hatte, und mein schlechtes Gewissen fraß mich fast auf.
Lauren lachte leise, ein helles, perlendes Lachen. »Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben! Ich hätte es euch beiden wirklich gegönnt. Auch wenn ich jetzt einfach nur glücklich bin, Shane wiederzusehen.« Sie drückte seine Hand und sah mit einem Strahlen in den Augen zu ihm auf.
Mir war elend zumute und meine Kehle wie zugeschnürt. »Es tut mir so leid, Shane. Das … das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass du … dass du mich zu retten versuchst und dabei selbst ums Leben kommst.«
Shane nickte mir zu. »Ist schon in Ordnung. Wirklich. Ich konnte ja nicht einfach nur dastehen und nichts tun. Und jetzt«, er warf Lauren einen Seitenblick zu, der so warm, so liebevoll war, dass ich nur vom Zugucken dahinschmolz, »jetzt bin ich wieder mit meinem Mädchen zusammen. Das bedeutet mir mehr als alles andere.« Ein kleines Lächeln zeichnete sich um seinen Mund ab. »Versprichst du mir was? Wenn du nachher zurückgehst … Besuch bitte meine Eltern und meine Schwestern. Sag ihnen, dass du mich hier gesehen hast. Mit Lauren. Dass ich sie alle lieb hab und dass es mir endlich wieder richtig gut geht. Mom und Dad glauben nicht an Geister, aber an das hier«, er nickte in die Nebellandschaft hinaus, »glauben sie ganz fest. Tust du das für mich?«
»Ich geh nicht zurück«, flüsterte ich, und Tränen rannen aus meinen Augen. »Ich will hierbleiben. Bei euch.« Ich wandte mich wieder Nathaniel zu und schluchzte auf. »Bei dir. Und ich will meine Mam wiedersehen. Ich geh nicht zurück.«
»Doch, das wirst du«, widersprach mir Lauren sanft. »Und immer wenn du in Zukunft einen besonders schönen Regenbogen oder einen prächtigen Sonnenuntergang siehst, stellst du dir vor, dass ich ihn gemalt hab. Für Shane.«
»Danke, Amber.« Shane ließ Lauren los und schloss mich in die Arme. »Für die Zeit mit dir und den anderen.« Flüchtig streifte sein Mund über meinen, dann nahm er Lauren wieder bei der Hand und nickte Nathaniel zu. »Wir sehen uns drüben.«
Durch den Tränenschleier vor meinen Augen sah ich zu, wie der Nebel die beiden verschluckte.
»Du musst wieder gehen«, hörte ich Nathaniel neben mir.
Ich fuhr herum. »Ich geh nicht zurück! Ich will hierbleiben!«
Die Hände in den Hosentaschen, sah er mich lange an. Ich hoffte so sehr, er würde mich einfach bei der Hand fassen und mitnehmen, wohin auch immer, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Amber. Das wäre nicht recht.«
Ich explodierte vor Wut. »Ich will es aber!« Mit den Fäusten schlug ich auf ihn ein und er zuckte nicht mal zusammen. »Ich will bei dir bleiben! Bei Shane und Lauren! Und bei meiner Mam! Ich will meine Mam sehen!« Meine Wut fiel in sich zusammen und ich weinte nur noch. »Ich will meine Mam sehen.«
Hart schlossen sich Nathaniels Hände um meine Arme und er schüttelte mich leicht. »Hey! Was glaubst du, was ich alles für eine zweite Chance geben würde? Ich würde heute so vieles anders machen als damals. Du hast dein ganzes Leben noch vor dir, du kannst noch so viel tun und erleben, während ich meines schon mit neunzehn vollkommen in den Sand gesetzt hatte.« Weich setzte er hinzu: »Mach’s besser als ich. Mach was aus deinem Leben. Werd glücklich. Tu’s für mich.«
Meine Finger krampften sich um die Ärmel seines Hemdes. »Ich will nicht ohne dich sein.«
Nathaniel umfasste mein Kinn und hob mein Gesicht zu ihm an. »Ich werde drüben auf dich warten. Das verspreche ich dir.« Er zögerte, und leise, fast ein bisschen scheu, fügte er hinzu: »Ich werde dich immer lieben.«
Ich zerfloss vor Glück und wollte noch etwas sagen, da ging ein Ruck durch mich hindurch. Als ob kräftige Hände sich in die Gürtelschlaufen und Taschen meiner Jeans
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