In dieser ganz besonderen Nacht (German Edition)
hakten und an mir rissen, noch mehr Hände mich bei den Hosenbeinen packten und mich von Nathaniel wegzerrten.
»Nein! Nicht!«, brüllte ich und klammerte mich umso fester an Nathaniel, aber das Ziehen und Zerren an mir verstärkte sich nur noch. Wie gegen das Aufwachen aus einem besonders schönen Traum kämpfte ich gegen diesen Sog an, der mich erfasst hatte und auch nicht mehr losließ.
Nathaniel drückte seinen Mund auf meinen. »Geh jetzt, Amber. Wir werden uns wiedersehen … eines Tages.« Einen meiner Finger nach dem anderen bog er mit sanfter Gewalt auf, so sehr ich auch schrie und weinte und bettelte, dass ich bei ihm bleiben wollte. Dann riss mich der Sog mit sich, und ich fiel, fiel wieder durch einen weißlichen Nebel ins Bodenlose, segelte und wirbelte im freien Fall durch die Luft.
Und wie ein Fallschirmspringer, bei dem die Leinen des Schirms sich in den Zweigen eines hohen Baums verfangen, bremste mich ein kräftiger Ruck schließlich aus.
Ich hing dicht über der von Straßenlaternen beleuchteten und zusätzlich von Fahrzeugscheinwerfern erhellten Straße. Die roten und blauen Blitze der Lichtsignale von Polizei und Rettungsdienst zuckten in regelmäßigen Abständen auf und wurden von den Hausfassaden zurückgeworfen; Paramedics rannten hektisch herum, Polizisten sperrten die Unfallstelle ab und Gaffer drängten sich am Rand zusammen. Überall glitzerten Schneeflocken, auch auf dem vorne zerknautschten blau-weißen Taxi mit der zersplitterten Windschutzscheibe, dessen Motor noch lief, und auf dem parkenden Wagen, in das es hineingeknallt war.
Ein erneuter Ruck ließ mich tiefer rutschen und ich schaute auf mich selbst hinunter. Mit geschlossenen Augen lag ich zwischen Glasscherben und verbogenen Metallteilen. Mein linker Arm wies einen unnatürlich schiefen Winkel auf, wie auch das linke Bein verdreht war. Die Jeans klaffte am Oberschenkel auf; die Wunde dort war mit irgendeinem Kleidungsstück notdürftig abgebunden, doch das war längst blutgetränkt, und darunter breitete sich eine schwarz glänzende Lache auf dem Asphalt aus.
»Du. Stirbst. Mir. Hier. Heute. Nicht«, fauchte Holly immer wieder mit grimmiger Miene, während sie neben mir kniete und im Rhythmus ihrer Worte abwechselnd mit beiden Händen meinen Brustkorb bearbeitete und mir ihren Atem in den Mund blies. Ein Paramedic kam angelaufen und löste sie mit einem kurzen Nicken ab, während ein zweiter sich um mein verletztes Bein kümmerte. Ein anderer Paramedic drängte den Taxifahrer beiseite, der Shane Erste Hilfe geleistet hatte. Eine fette Platzwunde an der Stirn, ließ sich der Fahrer einfach auf sein Hinterteil plumpsen; der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben. Shane sah wirklich übel aus und ich schaute schnell weg; ich wollte ihn lieber so in Erinnerung behalten, wie ich ihn auf der anderen Seite gesehen hatte, unverletzt und stark und glücklich.
Keuchend kauerte Holly auf dem Asphalt; ihr Kopf ruckte hoch, als auf der anderen Straßenseite Stimmen einen aufgeregten Wortwechsel anfingen. Sie rappelte sich auf, stolperte beinahe über meinen Rucksack, der mit geöffneter Seitentasche zwischen den parkenden Autos am Straßenrand lag, und lief auf eines der Polizeifahrzeuge zu. Ich spürte einen heftigen Ruck, der mich noch weiter hinabzog, als ich Ted sah, in Jeans, Sweater und Joggingschuhen, das Gesicht erhitzt und schweißnass; er musste von der Sacramento Street bis hierher gerannt sein. Atemlos stritt er sich mit den beiden Polizisten, die energisch auf ihn einredeten und ihn festhielten, damit er nicht zu mir lief; ich hatte ihn noch nie so wütend gesehen.
Mein Blick fiel auf Matt. Kreidebleich im Gesicht und mein Handy in den Fingern, hielt er eine völlig verheulte und haltlos schluchzende Abby im Arm, die sich ihrerseits an ihm festkrallte; unaufhörlich streichelte er ihr mit der anderen Hand über die langen, dunklen Haare und starrte dabei über seine Schulter hinweg zu Shane und mir. Holly redete unterdessen beruhigend auf Ted ein, strich ihm dabei über die Schulter und legte schließlich einfach die Arme um ihn.
»Komm schon, Mädchen, komm schon«, hörte ich den Paramedic über mir schnaufen.
Ich sah die Tränen, die Ted übers Gesicht liefen, sah, wie verzweifelt er sich an Holly festklammerte, und ich gab auf. Ich wehrte mich nicht mehr gegen den Sog, der mich nach unten zog, und geschmeidig glitt ich zurück in meinen Körper. Wie ein stotternder Motor zitterte und zuckte mein Herz ein
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