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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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habe. Ich hab das verdammte Bruchband weggeschmissen, damit's schlimmer wird und ich nicht wieder an die Front muß.»
    «Ach so.»
    «Können Sie mich nicht woanders einliefern?»
    «Wenn's weiter vorn wäre, könnte ich dich in ein Feldlazarett bringen. Aber hier hinten brauchst du Papiere.»
    «Wenn ich wieder zurückgehe, dann operieren sie mich einfach, und dann stecken sie mich die ganze Zeit über in die vorderste Linie.»
    Ich dachte nach.
    «Möchten Sie die ganze Zeit über im vordersten Graben liegen?» fragte er.
    «Nein.»
    «Himmel nein; ist das nicht ein Saukrieg?»
    «Hör mal zu», sagte ich. «Steig aus und fall in den Chausseegraben und schlag dir eine Beule am Kopf, und ich hol dich dann auf dem Rückweg und bring dich in ein Lazarett. Aldo, halt mal hier.»
    Wir hielten am Straßenrand. Ich half ihm herunter.
    «Ich warte direkt hier, Lieutenant», sagte er.
    «Also bis nachher», sagte ich. Wir fuhren weiter und passierten das Regiment ungefähr nachdem wir eine Meile gefahren waren, dann kreuzten wir den Fluß, der milchigweiß von Schneewasser war und schnell durch die Brückenpfosten floß, um auf die Straße, die durch die Ebene führte, zu kommen und die Verwundeten in den beiden Lazaretten einzuliefern. Auf dem Rückweg fuhr ich, und ich fuhr schnell mit dem leeren Wagen, um den Mann aus Pittsburgh aufzulesen. Zuerst kamen wir an dem Regiment vorbei, heißer und langsamer denn je, dann an den Nachzüglern. Dann sahen wir einen Sanitätswagen mit Pferden bespannt am Wege halten. Zwei Männer hoben den Bruchmann, um ihn einzuladen. Sie waren gekommen, um ihn zu holen. Er schüttelte den Kopf, als er mich sah. Sein Helm war ab und seine Stirn blutete etwas unterm Haaransatz. Seine Nase war abgeschürft, und die blutige Stelle sowohl wie sein Haar waren voller Staub.
    «Sehen Sie sich nur meine Beule an, Lieutenant», rief er. «Hilft alles nichts. Da sind sie, um mich zu holen.»
    Als ich in die Villa zurückkam war es fünf Uhr geworden, und ich ging hinaus, wo die Wagen gewaschen wurden, um mich abzubrausen. Dann arbeitete ich meinen Bericht auf meinem Zimmer aus und saß dabei in Hose und Unterhemd am offenen Fenster. In zwei Tagen war die Offensive angesetzt, und ich sollte mit den Wagen nach Plava. Es war lange her, daß ich nach Hause geschrieben hatte, und ich wußte, ich sollte schreiben, aber ich hatte es so lange nicht getan, daß es jetzt beinahe unmöglich war. Ich hatte keinen Stoff. Ich schickte ein paar Armee-Zona-di-Guerra-Postkarten weg und strich alles aus, bis auf: ich bin gesund. Das erledigte die Angelegenheit. Diese Postkarten waren sicher in Amerika sehr beliebt; fremdartig und geheimnisvoll. Dies hier war eine fremdartige und geheimnisvolle Kriegszone, aber ich nahm an, daß die Kriegführung, verglichen mit früheren Kriegen gegen Österreich, direkt gut und zielbewußt war. Die österreichische Armee war geschaffen, um Napoleon zu Siegen zu verhelfen, jedem Napoleon. Ich wünschte, wir hätten einen Napoleon gehabt, aber statt dessen hatten wir Il Generale Cadorna, dick und blühend, und Vittorio Emmanuele, den winzigen Mann mit dem langen, dünnen Hals und dem Ziegenbart. Auf dem rechten Flügel hatten sie den Herzog von Aosta. Möglich, daß er zu gut aussah, um ein großer General zu sein, aber er sah wie ein Mann aus. Viele hätten ihn gern zum König gehabt. Er sah wie ein König aus. Er war der Onkel des Königs und befehligte die dritte Armee. Wir gehörten zur zweiten Armee. Bei der dritten Armee waren einige englische Batterien. Ich hatte zwei Artilleristen von dort in Mailand getroffen. Sie waren sehr nett, und wir verbrachten einen fabelhaften Abend zusammen. Sie waren groß und schüchtern und verlegen und genossen alles, was geschah. Ich wünschte mich zu den Engländern. Es wäre so viel einfacher gewesen. Aber ich wäre vielleicht getötet worden. Nicht bei den Sanitätern. Ja, selbst bei den Sanitätern. Englische Ambulanzfahrer wurden manchmal getötet. Nun, ich wußte, daß ich nicht getötet werden würde, nicht in diesem Krieg. Der hatte mit mir gar nichts zu tun. Er schien mir für mich nicht gefährlicher zu sein als ein Krieg auf der Filmleinwand. Trotzdem hoffte ich zu Gott auf ein schnelles Ende. Vielleicht war er im Sommer aus. Vielleicht brachen die Österreicher zusammen. Sie waren in allen früheren Kriegen zusammengebrochen. Was war denn eigentlich nur mit diesem Krieg los? Man sagte allgemein, mit den Franzosen sei es zu Ende. Rinaldi

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