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In einem anderen Land

In einem anderen Land

Titel: In einem anderen Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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was es alles war. Ich ging also ins Gefängnis; jetzt kommt die Pointe der Geschichte, und ich stand vor seiner Zelle, und ich sprach, als ob ich in der Beichte wäre: Padre segne mich, denn du hast gesündigt.»
    Alles lachte schallenden Beifall.
    «Und was hat er gesagt?» fragte der Priester. Rocca überhörte dies und fuhr fort, mir den Spaß zu erklären.
    «Nicht wahr, du siehst die Pointe?» Es schien ein fabelhafter Witz zu sein, man mußte ihn nur richtig verstehen. Man goß mir mehr Wein ein, und ich erzählte die Geschichte von dem englischen Rekruten, den man unter die Brause gestellt hatte. Dann erzählte der Major die Geschichte von den elf Tschechoslowaken und dem ungarischen Unteroffizier. Nachdem ich noch mehr Wein getrunken hatte, erzählte ich die Geschichte von dem Jockey, der den Groschen fand. Der Major sagte, es gäbe eine italienische Geschichte, die so ähnlich sei, von einer Herzogin, die nachts nicht schlafen konnte. Hier verließ uns der Priester, und ich erzählte die Geschichte von dem Reisenden, der um fünf Uhr früh in Marseille ankam, als der Mistral blies. Der Major sagte, er hätte gehört, daß ich so ein ausgezeichneter Trinker sei. Ich leugnete. Er sagte, es wäre so und bei Bacchus Leiche müsse festgestellt werden, ob es wahr sei oder nicht. Nicht Bacchus, sagte ich. Nicht Bacchus. Doch Bacchus, sagte er. Ich solle Glas um Glas mit Bassi Filippo Vincenza leeren. Bassi sagte, das sei keine Probe, denn er habe bereits doppelt so viel getrunken wie ich. Ich sagte, das sei eine gemeine Lüge, und Bacchus ja, oder Bacchus nein, Filippo Vincenza Bassi oder Basso Filippo Vicenza hätte den ganzen Abend über keinen Tropfen getrunken und wie er denn nun eigentlich in Wirklichkeit hieße? Er fragte, ob mein Name Frederico Enrico sei oder Enrico Frederico? Ich sagte, Bacchus hin, Bacchus her, der Tüchtigste gewinnt, und der Major gab das Zeichen zum Anfangen und startete uns mit Rotwein in steinernen Krügen. Als wir halbwegs waren, mochte ich nicht mehr. Mir fiel ein, wo ich hingehen wollte.
    «Bassi gewinnt», sagte ich. «Er ist tüchtiger als ich, ich muß gehen.»
    «Er muß wirklich», sagte Rinaldi. «Er hat eine Verabredung. Ich kenne die ganze Geschichte.»
    «Ich muß gehen.»
    «Also einen anderen Abend», sagte Bassi. «Einen anderen Abend, wenn du dich besser fühlst.» Er schlug mir auf die Schulter. Auf dem Tisch standen angezündete Kerzen. Alle Offiziere waren sehr glücklich. «Gute Nacht, meine Herren», sagte ich.
    Rinaldi ging mit mir hinaus. Wir standen vor der Tür und er sagte : «Geh lieber nicht zu denen rauf, wenn du betrunken bist.»
    «Ich bin nicht betrunken, Rinini», sagte ich, «wirklich nicht.»
    «Kau lieber vorher eine Kaffeebohne.»
    «Unsinn.»
    «Ich hol dir welche, Kleiner. Geh hier inzwischen auf und ab.»
    Er kam mit einer Handvoll gerösteter Kaffeebohnen zurück. «Kau die, Kleiner, und Gott sei mit dir.»
    «Bacchus», sagte ich.
    «Ich werde dich begleiten.»
    «Ich bin wirklich ganz in Ordnung.»
    Wir gingen zusammen durch die Stadt, und ich kaute den Kaffee. Am Tor der Anfahrt, die zu der britischen Villa führte, sagte Rinaldi gute Nacht.
    «Gute Nacht», sagte ich. «Warum kommst du nicht mit rein?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein», sagte er, «ich ziehe die einfacheren Freuden vor.»
    «Noch besten Dank für die Kaffeebohnen.»
    «Aber Kleiner, nichts zu danken.»
    Ich ging die Auffahrt hinunter. Die Zypressen, die sie umsäumten, hatten scharfe, klare Umrisse. Ich blickte zurück und sah, wie Rinaldi mich beobachtete, und winkte ihm zu.
    Ich saß in der Empfangshalle der Villa und wartete darauf, daß Catherine herunterkommen würde. Jemand kam den Gang herunter. Ich stand auf, aber es war nicht Catherine. Es war Miss Ferguson.
    «Guten Abend», sagte sie. «Catherine läßt Ihnen durch mich sagen, daß sie leider heute abend nicht kommen kann.»
    «Das tut mir schrecklich leid. Hoffentlich ist sie nicht krank.»
    «Es geht ihr nicht sehr gut.»
    «Wollen Sie ihr bitte sagen, wie leid es mir tut?»
    «Ja, gewiß.»
    «Glauben Sie, daß es Sinn hat, wenn ich morgen komme, um sie zu besuchen?»
    «Ja, sicher.»
    «Danke vielmals», sagte ich. «Gute Nacht.»
    Ich ging zur Tür hinaus, und plötzlich fühlte ich mich einsam und leer. Meinen Besuch bei Catherine hatte ich sehr obenhin behandelt; ich hatte mich ein bißchen betrunken und ihn beinahe vergessen, aber als ich sie nicht sehen konnte, fühlte ich mich einsam und

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