In einem leuchtend schoenen Land
dafür wäre unsere freie Zeit zwischen dem Einreichen der Dokumente bis zur Gutschrift wesentlich unbeschwerter verlaufen.
Und die letzte, unumstößliche Lektion 3: Wer sich aufregt, hat unrecht!
Nicht, dass ich mich fortan nicht mehr aufregte, Gott bewahre, so gelassen konnte ich selbst in der Nähe Buddhas nicht sein. Aber immerhin merkte ich, während ich innerlich einen kläglichen Aufstand probte, wie lächerlich ich mich gerade machte und schaffte es zuweilen in einen Heiterkeitsausbruch darüber, dass die Insel eben nicht „zackzack“ sondern bedächtig und in Schnörkeln ans Ziel führten. Schließlich, beschloss ich, führten auch bürokratisch verkomplizierte Umwege nach Rom!
Und die ruhige Duldsamkeit des Sri-Lankers entdeckte ich auch in der Art und Weise, in welcher sie sich ihren Lebenspartner aussuchten.
16. Über Hoch-Zeiten und Aber-Glauben
Ich erinnere mich noch genau an den Gesichtsausdruck meiner potentiellen Schwiegermutter, als ihr Sohn mich vor mehr als zwanzig Jahren bei seiner Familie vorstellte. Es gab Kartoffelauflauf und ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen, genehmigte mir einen großen Löffel Kartoffeln, kaute andächtig und lobte die Köchin – mit vollem Mund, versteht sich.
Stumme Entrüstung am Tisch schlug mir entgegen.
Erschrocken blickte ich um mich, sah Hände zum Gebet gefaltet und auf den Lippen Lobpreisungen. Hurtig kaute ich in das Gebet mit ein, dessen Wortlaut ich weder genau kannte, noch über dem Amen ein ordentliches Kreuz schlagen konnte.
Ich denke, das war der Augenblick, als die Mutter meines frisch verliebten Freundes in mir gerne eine ehemalige Freundin gesehen hätte, sich die alten Zeiten herbeisehnte, in denen noch versierte Heiratsvermittler Passendes ins Haus und in die Ehe holten.
Sehr wahrscheinlich hätte sie in ihrer Verzweiflung sogar zu einem Orakel oder nach den Sternen gegriffen.
Wären sie und ich Sri-Lanker gewesen, wäre es nie zu dieser peinlichen Szene gekommen. Dort holt sich nicht der Sohn die Liebe ins Haus, sondern sie wird ihm in der Regel vorgesetzt.
Als ich meine ersten Schritte auf der Insel tat, trat ich mit meinem alleinigen Auftritt voll daneben. Wohl hatte ich mir noch in Deutschland hier übliches Züchtiges angelesen und verhüllte meine Haut vor den Blicken der Männer. Das nützte aber alles nichts, mir eilte nämlich ein Ruf voraus, für den ich diesmal wirklich nichts konnte: In den Augen nicht weniger Sri-Lanker war ich ein Flittchen! Ich, so glaubten jene zu wissen, pflegte den vorehelichen Sex – und davon hätten sie auch gerne etwas abbekommen. Sexuell Unterdrücktes strebte mir vor allem dann entgegen, wenn die Männlichkeit Alkohol gebechert hatte und sich noch zusätzlich von meiner weißen, reichen Haut angezogen fühlte.
Ich war sehr begehrt.
Und zwar nicht, weil ich besonders attraktiv war oder gar mit Werten überzeugte.
Ich überzeugte als leichtes Mädchen mit viel Geld, war eine laufende Geld- und Sexmaschine.
Wenn ich lange genug in der Zeitspur Deutschlands zurückging kam ich irgendwann dort an, wo Sri Lanka in Sacher Prüderie heute stand. Vor allem, aber nicht nur, in ländlichen Gegenden wurden die Töchter von der Familie bis zur Hochzeitsnacht streng unter Verschluss gehalten und standen den Männern nicht zur Verfügung. Solange die Töchter noch unverheiratet waren und zu Hause lebten, wurden sie bevormundet. Sie durften nur in Begleitung ausgehen, eigenständig keinen Arbeitsvertrag unterschreiben und ergatterten mit der Hochzeit die Unabhängigkeit von den Eltern – um sich einer neuen Abhängigkeit zu unterwerfen: der des Ehemannes.
„Ach“, erinnerte sich eine Inderin, einst selbst von den Eltern in die Ehe vermittelt, „das hat durchaus Vorteile. Kinder müssen sich nicht mit Liebesdingen abmühen und segeln gemütlich in den Hafen der Ehe ein, ohne dass sie den Liebeskummer durchleben müssen, der nicht selten mit der ersten Liebe einhergeht. Abgesehen davon hat die Vermittlung an die Verwandtschaft einiges für sich.“
Verwandtschaft?
Ich stockte und dachte sogleich in Extremen an Geschwister und Inzucht.
„Mit Vorliebe werden Cousins und Cousinen verheiratet. Es ist sehr angenehm schon vorher zu wissen, welche Familien miteinander verschmelzen!“
Mit dem Wissen, dass Cousins und Cousinen auf der Insel oft nur auf dem Papier und weit verzweigt verwandt waren, war das Thema Inzest vom Tisch. Nun konnte ich mich näher mit dem Gedanken befassen, wie es gewesen
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