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In einer Familie

In einer Familie

Titel: In einer Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Mann
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Anna Grubeck bekannt
    wurde, machte all diesem Spuk ein Ende. Es war, als
    breitete sich, von ihr ausgehend, Klarheit und Friede
    über seine Stimmungen aus. Täglich merkte er deut-
    licher, daß ihr Einfluß das Leben seiner Gedanken
    und Gefühle völlig erneuere. Bei dem Klange ihrer
    ruhigen Altstimme, in der so gut ihr stil heiteres We-
    sen zum Ausdruck kam, wurde er al mählich ein an-
    derer. Zuweilen überkam ihn, wenn sie sprach, eine
    träumerische Müdigkeit, während welcher einzelne
    Worte oder Bilder aus seiner Kinderzeit in seiner Er-
    innerung emportauchten. Oder er konnte sie in eine
    harmlose Luftigkeit mit hineinreißen, ebenfalls wie
    ein Kind.
    So genas er und hatte nur den Wunsch, die süße
    Rekonvaleszentenstimmung lange, lange hinauszu-
    dehnen, ohne einen Gedanken an die Zukunft.
    Trotzdem war es heute, fast wider seinen Willen, zur
    Aussprache gekommen. In das trauliche Wohlbeha-
    gen dieses Nachmittags hatte sich ihm plötzlich die
    Furcht vor der Möglichkeit gemischt, dem jetzigen
    Zustande ein Ende gemacht zu sehen, und ohne Zö-
    gern hatte er seinem Drange, das Verhältnis für im-
    mer zu befestigen, nachgegeben. Sonst langsam und
    unlustig, einen Entschluß zu fassen, sah er in seinem
    heutigen schnellen, kräftigen Impuls die beste Bürg-
    schaft dafür, daß er recht gethan.
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    Als der Major, welcher das längere Schweigen mit
    eingehender Beobachtung der Beleuchtungseffekte
    in der Landschaft ausfüllte, wieder einmal stehen
    blieb, brach Wellkamp eine der Alpenrosen, die in
    dieser Höhe unmittelbar am Seeufer wuchsen, und
    überreichte sie seiner Braut. Er hatte ausdrücken
    wollen, daß er in der Blume ein Symbol für ihre Ver-
    bindung erblicke, aber er fürchtete, daß es gespro-
    chen eine Banalität sein könnte.
    Anna dankte ihm freudig lächelnd, und damit war
    die Stille, in der jedes seinen Betrachtungen nachge-
    hangen, gebrochen. Der Major erinnerte an den
    Aufbruch.
    Einmal wieder auf der Fahrt, blieb mit der Träu-
    mereien erzeugenden abendlichen Uferlandschaft
    auch die Stimmung der vergangenen Stunde zurück.
    Alle drei begannen, völlig ermuntert, an die Zu-
    kunft, die ihnen winkte, heranzutreten. Es wurden
    mit Eifer Pläne geschmiedet. Natürlich wünschte
    das junge Mädchen, um dem Vater nahe zu bleiben,
    in Dresden Wohnung zu nehmen, und Wellkamp
    stimmte ihr bei.
    »Ich kann mir«, sagte er, »für eine junge Ehe kei-
    nen geeigneteren Aufenthalt denken, als diese stille
    und elegante Stadt. Alles wird uns dort mehr Beha-
    gen und Vertraulichkeit bieten, als in dem Getriebe
    eines regen Verkehrsplatzes zu finden sein würde –
    ohne daß wir dabei die Vorzüge eines solchen zu ent-
    behren hätten.«
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    »Du kennst Dresden?«
    Anna sprach das »Du« bereits ruhig und geläufig
    aus, wie wir wohl jemand laut einen Namen geben,
    mit dem wir ihn in unsern Gedanken seit langem be-
    nannt haben.
    »Wenige Wochen, wie überal , habe ich mich auch
    dort aufgehalten«, entgegnete ihr Verlobter. »Wenn
    die Plätze, an denen wir vorübergehen, uns verraten
    wollten, unter welchen Bedingungen wir zu ihnen
    zurückkehren werden! Ich hätte dann eine deut-
    lichere Erinnerung an die Stadt. Was meinst Du aber
    zu einer Wohnung am Bismarck-Platz?«
    »Nicht wahr? Gerade wollte ich sagen, daß es
    meine Lieblingsidee ist. Und dabei fast in Papas
    Nachbarschaft.«
    Der Blick des jungen Mädchens machte sich
    eigentümlich zärtlich, als sie ihn, ohne ihr Plaudern
    zu unterbrechen, ihrem Vater zuwandte.
    Auch darin ward man sogleich einig, einen langen
    Brautstand entbehrlich zu finden. Es standen einer
    baldigen Verbindung durchaus keine Hindernisse
    entgegen. Vorerst wurde die Abreise auf morgen
    festgesetzt. Wellkamp erklärte, nur bis München
    mitzureisen, wo ihn Geschäfte einige Tage zurück-
    halten würden. Dafür aber sollte der heutige Abend
    dem festlichen Anlaß entsprechend begangen wer-
    den.
    Der Major erklärte sich auf die Fragen der jungen
    Leute mit allem einverstanden, indes war er nach
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    und nach schweigsamer geworden. Er sah häufig
    scharf in die dunkelnde Gegend hinaus, als studierte
    er sie. Wenigstens mochte es sein Bemühen sein, dies
    die andern glauben zu machen. Aber Anna be-
    merkte, daß sein Blick unruhig abirrte. Sie legte ihm
    in ihrer kindlichen Sorglichkeit den Mantel um, da
    es kühler ward, und der Wagen sich Kreuth näherte,
    wo der kalte Wind eingetreten sein mußte, der hier
    jeden Morgen und jeden Abend mit der

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