In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
nicht ein bisschen dezenter?«, murmelte Anderson, als Browne außer Hörweite war.
»Ich bin nicht dezent. Ist dieser Gehenkte nun unser Stephen Whyte? Der Stephen Whyte?«, fragte sie und beachtete Andersons Zeichen nicht, dass Quinn hereinkam.
»O’Hare nimmt es an. Offiziell müssen wir auf die Bestätigung warten, das wissen Sie doch.«
»Wir warten alle auf die Bestätigung«, sagte die DCI und reichte Anderson einen Stapel mit braunen Aktenordnern.
»Es ist nur, weil wir ein kleines Revier sind. Ich weiß nicht, wie lange ich über die Sache schweigen kann oder schweigen sollte«, meinte Anderson.
Quinn zuckte ein wenig zu lässig mit den Schultern. »Wenn ich mich nicht irre und es sich um den betreffenden Mann handelt – oh, ich weiß nicht, ob ich so viel Glück haben kann …« Sie unterbrach sich und gab Anderson und Costello die Möglichkeit, Blicke zu wechseln. »In der nächsten halben Stunde möchte ich von niemandem gestört werden, es sei denn, es gibt wichtige Neuigkeiten von den Vernehmungen der Nachbarn oder aus der Kriminaltechnik. Ich warte auf einen Anruf aus der Rechtsmedizin. Ach, und sperren Sie den Hund in den Zwinger, bevor er seinen Geruch im ganzen Revier verteilt hat. Er bleibt nur so lange hier, bis er eingeschläfert wird.« Quinn ging in ihr Büro, und ihre Pfennigabsätze klickten über den abgelaufenen Boden.
»Armer Hund, ich wette, der hat noch nie jemanden gebissen …« Costello schaute Quinn hinterher. »Bisher.«
Littlewood betrachtete die einsame 60-Watt-Birne, die an einem verdrehten schmutzigen Kabel hing. Im Luftzug schwang sie leicht hin und her und wirkte fast hypnotisierend, wie sie nach rechts und links baumelte. Er seufzte. Wyngate führte die erste Vernehmung durch, und DCI Quinn hatte ausdrücklich gewünscht, dass er, John Littlewood, mit seinen zweiunddreißig Dienstjahren Erfahrung einfach nur dasitzen und den Mund halten sollte. Wyngate war bereits alles zweimal durchgegangen. Catriona Innes war die Ruhe selbst. Ihr Ehemann war ein Nervenbündel. Das hätte Littlewood voraussagen können: Er durchschaute Menschen einfach. Und Stuart Bannon, das sah er, war absolut ehrlich und hatte mit dem Gehenkten nichts zu tun; er war einfach nur ein Makler, dem man aufgetragen hatte, die Wohnung einer Verstorbenen zu verkaufen.
Bannon sah so schottisch aus, wie es nur ging – nicht besonders groß, Stirnglatze und entweder rotblondes oder rotes Haar, das langsam grau wurde. Er hatte ein wenig Übergewicht, war Mitte vierzig und erweckte den Eindruck, als sei er kürzlich geschieden worden. Seine gute Kleidung war schlecht gebügelt, und das stramm sitzende Hemd verriet, dass er erst in letzter Zeit einige Pfunde zugelegt hatte.
Sie hatten sich als Letztes mit ihm beschäftigt, nach den Innes’. Jetzt gingen sie erneut alles durch, geduldig und höflich, hörten sich alles an und überdachten jede Antwort. Sein Handy hatte geklingelt, also war er ins Treppenhaus gegangen und hatte den Anruf angenommen. Aber der Empfang war schlecht, deshalb war er die Treppe hinuntergestiegen zur Haustür. Er hatte noch telefoniert, als er eilige Schritte hinter sich hörte, und Jim Innes hätte ihn auf der letzten Stufe fast umgestoßen und war nach draußen gelaufen.
»Er hat es gerade noch in den Garten geschafft, ehe er sich übergeben hat«, erinnerte sich Bannon.
»Und sie?«, fragte Littlewood und setzte sich über Quinns Anweisungen hinweg. »Was ist mit Mrs. Innes?«
»Also, ich bin nach oben gegangen und dachte, ihr sei vielleicht etwas zugestoßen, doch sie stand in der Tür, und ich konnte nicht sehen, was sie betrachtete. Dann ging ich rein, und er … hing da. Hing einfach da. Dann hat mich der Gestank überwältigt.«
»Kein Geruch, den man so schnell vergisst«, stimmte Littlewood zu.
Bannon blickte von Wyngate zu Littlewood, als frage er sich, ob der alte Knacker sich tatsächlich so gut amüsierte, wie es den Anschein machte.
»Und zuletzt waren Sie vor zehn Tagen am Samstag, dem 30. Januar, in der Wohnung?«, fragte Wyngate und versuchte, die Kontrolle über die Vernehmung zurückzugewinnen.
»Ich glaube. Ich war der Einzige, der in den vergangenen Monaten dort Besichtigungen durchgeführt hat.« Bannon lächelte schief. »Auf dem Immobilienmarkt ist es ein bisschen ruhiger geworden wegen der Kreditrestriktion und so. Und ja, bei den letzten Besichtigungen war ich auch dabei, und die Schlüssel hatte immer ich.«
Littlewood lenkte das Gespräch wieder
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