In einer kalten Nacht: Roman (German Edition)
ungeduldig heraus. Sie seufzte und lächelte anschließend triumphierend. »Stephen Whyte hatte drei Narben, und das gilt auch für den Gehenkten. Wir brauchen eine offizielle Identifizierung, und zwar schnell«, sagte sie und schaute auf ihre Uhr.
Costello stellte den Tee ab. »Ma’am, vielleicht interessieren Sie sich auch für die Vernehmung der Nachbarn?« Sie holte ein Blatt Papier hervor, das mit Littlewoods kleinen Blockbuchstaben bedeckt war.
Quinn nickte. »Na, dann los.«
»An einem Abend am letzten Wochenende, vermutlich am Samstag, dem dreißigsten, hat ein Nachbar Geräusche durch die Wand gehört. Auf die Frage, was für Geräusche, antwortete er: ›Was man so erwarten würde – seit einem halben Jahr machen sie hier im Haus einen Höllenlärm.‹ Dann begann er, was nicht aufgezeichnet wurde, über die Bauarbeiten zu schimpfen. Bannon sagt, er war zum letzten Mal gegen Mittag an jenem Samstag in der Wohnung. Soweit er weiß, hat die Wohnung seitdem niemand betreten.«
»Laut O’Hare hat die Leiche ungefähr eine Woche dort gehangen, das müsste uns doch einen Anhaltspunkt liefern, von dem aus wir weitermachen können. Zunächst müssen wir herausfinden, was Stephen Whyte unmittelbar vor seinem Tod gemacht hat. Besonders an diesem Samstag. Und wir müssen herausbekommen, warum man den Zettel mit der Identifizierung so platziert hat, dass wir ihn finden. « Quinn seufzte. » Glauben wir eigentlich, dass er für uns platziert wurde? Dass der Tatort wichtig für den Mörder war?«
»So sieht es jedenfalls für mich aus«, sagte Anderson. »Aber Whyte hat kein Vorstrafenregister, er hat nie vor Gericht gestanden, und es gibt keine Fingerabdrücke in seiner Akte. Deshalb brauchen wir eine offizielle Identifikation. Von der Familie?«
Quinns Schaudern wurde nicht von der Kälte ausgelöst.
»Tut mir leid, ich komme nicht mehr mit«, sagte Costello. »Gab es denn keine Fingerabdrücke an der Stelle, wo Emily überfallen wurde?«
»Nichts. Das war eins der Probleme. Das Opfer hat ihn identifiziert, und zwar hat es ohne Umschweife sein Bild herausgepickt.«
»Warum wurde er dann nicht verhaftet?«
»Ein traumatisiertes Opfer mit Hirnschaden, das zugibt, die Augen verbunden gehabt zu haben – Emily hat auf das Bild gezeigt, das war alles, Costello. Dem Staatsanwalt hätte das nicht genügt«, sagte Quinn ruhig. »Ich sage nicht, dass sie sich geirrt hat, doch es reichte einfach nicht.«
»Aber Whytes Freundin Donna … Wie hieß sie gleich mit Nachnamen?«
»Campbell«, half Anderson aus. »Eine Aussage vom Hörensagen, nachdem Stephen das Land verlassen hatte. ›Mein Macker hat was damit zu tun, ganz klar.‹ Er hatte sie sitzen lassen, und der Staatsanwalt hätte nicht viel auf ihre Erzählungen gegeben. Außerdem hat sie versucht, die Geschichte an die Boulevardzeitungen zu verkaufen.«
»Es gab also keine forensischen Beweise am Ort der Vergewaltigung?«
Anderson schüttelte den Kopf. »Sie sehen das Problem: achtundvierzig Stunden, und sie hatten nichts vorzuweisen. Emilys Bild prangte auf jeder Zeitung, die Öffentlichkeit wollte Blut sehen, und das Ermittlungsteam hatte den Schwarzen Peter. Whyte wollte einfach nicht freiwillig gestehen. Sie hatten keine Befugnis, ihn länger festzuhalten. Er ist abgehauen.«
»Beweist das sicher seine Schuld? Warum hat man keine Auslieferung beantragt?«
»Sie wissen doch, wir haben nicht die Macht, jemanden nur auf Verdacht hin zu verhaften. Wir brauchen … Wie heißen die gleich noch mal? Ach ja, Beweise!«, sagte Anderson äußerst sarkastisch und zog damit einen bösen Blick von Quinn auf sich.
»Es war DI Yorke, der die Ermittlung leitete, oder?«, fragte Quinn rhetorisch.
Anderson nickte. »Er ist immer noch in Paisley, glaube ich. Inzwischen DCI . Wie würde er es aufnehmen, wenn hier in seinem alten Fall wieder ermittelt wird?«
»Die Entscheidung liegt doch nicht bei ihm, oder?« Quinn lehnte sich nachdenklich zurück. »Was uns zur nächsten Frage führt – warum wurde Whyte in der leer stehenden Wohnung aufgehängt, die diesem Revier am nächsten liegt? Weil uns jemand zeigen wollte, dass er ihn als Erster erwischt hat. Und das setzt ein bestimmtes Wissen über die Umgebung oder einiges an Kenntnis über unsere Arbeitsweise voraus.« Sie richtete den Blick auf die Karte der Divisionen an der Wand. Die A-Division, ihre eigene, war nur eine schmale Scheibe, die den Westen des Stadtzentrums von Glasgow abdeckte. Die K-Division in
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