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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Er lachte immer noch, als er über die Tin Bridge fuhr und danach in Richtung Norden zu dem alten Treblehorn-Anwesen, wo er zuerst sein Glück versuchen wollte. Als er auf der anderen Seite der Brücke Panderly’s Hill hinauffuhr, begegnete ihm ein in der anderen Richtung, stadteinwärts, fahrender Wagen mit offenem Verdeck. Der Wagen war voll von jungen Männern. Sie sangen mit höchster Lautstärke, einstimmig und in vollkommener Baptisten-Harmonie »What a Friend We Have in Jesus«.

9
     
    Einer dieser jungen Männer war Lester Ivanhoe Pratt. Nach dem Footballspiel waren er und ein paar Freunde zum ungefähr fünfundzwanzig Meilen entfernten Lake Auburn gefahren. Dort fand ein einwöchiges Tent-Revival statt, und Vic Tremayne hatte gesagt, um fünf Uhr sollte eine spezielle Kolumbus-Tag-Gebetsversammlung mit Hymnensingen stattfinden. Da Sally Lesters Wagen hatte und sie für den Abend keine Pläne gemacht hatten – kein Film, kein Essen bei McDonald’s in South Paris -, war er mit Vic und den anderen Jungen, gute Christen allesamt, losgefahren.
    Er wußte natürlich, weshalb die anderen so begierig waren, die Fahrt zu unternehmen, und der Grund war nicht Religion – jedenfalls nicht ausschließlich Religion. Bei den Tent-Revivals, die zwischen Mai und Ende Oktober kreuz und quer durch Neuengland zogen, war immer eine Menge hübscher Mädchen zugegen, und das Absingen von Hymnen (ganz zu schweigen von den hitzigen Predigten und einer Dosis von dem guten, alten Jesus-Geist) versetzte sie immer in fröhliche, zugängliche Stimmung.
    Lester, der ein Mädchen hatte, betrachtete die Absichten und Aktionen seiner Freunde mit jener Art von Nachsicht, die ein alter Ehemann den Kapriolen eines Haufens von jungen Kerlen entgegenbringt. Er fuhr in erster Linie mit, um ihnen einen Gefallen zu tun, aber auch, weil er immer gern ein paar gute Predigten hörte und ein bißchen sang nach einem hitzigen Nachmittag, bei dem Köpfe zusammengeprallt und gepolsterte Schultern als Stopper benutzt worden waren. Es war die beste Art, sich abzukühlen, die er kannte.
    Es war eine gute Versammlung gewesen, aber am Ende wollten Unmengen von Leuten errettet werden. Deshalb hatte sie ein bißchen länger gedauert, als Lester sich gewünscht hätte. Er hatte vorgehabt, Sally anzurufen und sie zu fragen, ob sie noch mit ihm auf ein Eiscreme-Soda oder irgend etwas anderes zu Weeksies gehen wollte. Er wußte inzwischen, daß Mädchen dergleichen manchmal aus der Laune des Augenblicks heraus tun.
    Sie überquerten die Tin Bridge, und Vic setzte ihn an der Ecke von Mein und Laurel Street ab.
    »Großartiges Spiel, Les!« rief Bill MacFarland vom Rücksitz.
    »Klar doch!« rief Lester fröhlich zurück. »Wir können am Samstag wieder spielen – vielleicht breche ich dir dann den Arm, anstatt ihn nur zu verrenken!«
    Die vier jungen Männer in Vics Wagen brüllten vor Lachen über diesen Witz, und dann fuhr Vic davon. Die Melodie von »Jesus Is a Friend Forever« driftete durch die noch immer ungewöhnlich sommerliche Luft. Normalerweise erwartete man, daß es nach Sonnenuntergang empfindlich kühl wurde, selbst an den wärmsten Tagen des Altweibersommers. Aber heute abend war das nicht der Fall.
    Lester ging langsam die Anhöhe hinauf nach Hause, müde, abgeschlafft und vollauf zufrieden. Wenn man sein Herz Jesus geschenkt hatte, war jeder Tag ein guter Tag, aber manche Tage waren besser als andere. Dies war einer von der allerbesten Sorte gewesen, und alles, was er jetzt noch wollte, war duschen, Sally anrufen und dann ins Bett.
    Er schaute zu den Sternen empor und versuchte, den Orion zu finden, als er in die Einfahrt zu seinem Haus einbog. Deshalb prallte er in flotter Gangart gegen das Heck seines Mustangs.
    »Au!« schrie Lester Pratt. Er wich zurück und hielt sich die schmerzenden Hoden. Nach ein paar Augenblicken schaffte er es, den Kopf zu heben und seinen Wagen mit Augen zu betrachten, die vor Schmerz tränten. Wie zum Teufel kam der Mustang hierher? Sallys Wagen sollte frühestens Mittwoch aus der Werkstatt zurückkommen – in Anbetracht des Feiertags wahrscheinlich erst Donnerstag oder Freitag.
    Dann kam ihm die Erleuchtung in Form eines grellen Blitzes. Sally war drinnen! Sie war herübergekommen, während er weg war, und nun wartete sie auf ihn! Vielleicht hatte sie beschlossen, daß heute nacht die Nacht sein sollte! Vorehelicher Sex war natürlich unrecht, aber manchmal mußte man ein paar Eier zerbrechen, wenn man ein Omelett

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