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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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machen wollte. Und er war durchaus bereit und willens, für diese spezielle Sünde Buße zu tun, wenn sie es auch war.
    »Halleluja!« rief Lester begeistert. »Meine süße kleine Sally im Evaskostüm!«
    Er eilte mit kleinen Schritten auf die Vortreppe zu, nach wie vor seine pochenden Hoden umkrampfend. Aber jetzt pochten sie außer vor Schmerz auch vor Vorfreude. Er holte den Schlüssel unter der Fußmatte hervor und ließ sich ein.
    »Sally?« rief. »Sal, bist du da? Entschuldige, daß ich so spät komme – ich war mit ein paar von den Jungen bei der Revival-Versammlung drüben am Lake Auburn, und...«
    Er brach ab. Keine Antwort, und das bedeutete, daß sie doch nicht da war. Es sei denn...!
    Er eilte nach oben, so schnell er konnte, plötzlich ganz sicher, daß er sie in seinem Bett vorfinden würde. Sie würde die Augen aufschlagen und sich aufsetzen, das Laken würde von ihren herrlichen Brüsten abgleiten (die er gefühlt – nun ja, gewissermaßen -, aber noch nie gesehen hatte), sie würde ihm die Arme entgegenstrecken, diese wunderschönen, verschlafenen, kornblumenblauen Augen weit öffnen, und wenn die Uhr zehn schlug, würden sie beide nicht mehr unberührt sein. Halleluja!
    Aber das Schlafzimmer war so leer, wie es auch die Küche und das Wohnzimmer gewesen waren. Die Laken und Decken lagen wie fast immer auf dem Fußboden. Lester war einer jener Männer, so randvoll von Energie und Heiligem Geist, daß sie sich am Morgen nicht einfach aufsetzen und aus dem Bett steigen können; er schnellte heraus, begierig, den Tag nicht nur zu beginnen, sondern ihn zu attackieren, über den Rasen zu scheuchen und zu zwingen, den Ball herauszurücken.
    Aber jetzt ging er langsam wieder hinunter mit einem verwirrten Ausdruck auf dem breiten, intelligenten Gesicht. Der Wagen war da, aber Sally nicht. Was hatte das zu bedeuten? Er wußte es nicht, aber es gefiel ihm nicht so recht.
    Er schaltete das Licht über der Vortreppe ein und trat hinaus, um in den Wagen zu sehen; vielleicht hatte sie eine Nachricht darin hinterlassen. Er kam bis zur obersten Stufe der Vortreppe, dann erstarrte er. Da war tatsächlich eine Nachricht. Sie war mit grellrosa Lack auf die Windschutzscheibe des Mustang gesprüht; die Sprühdose stammte vermutlich aus seiner eigenen Garage. Die großen Druckbuchstaben starrten ihm entgegen:
    FAHR ZUR HÖLLE DU VERLOGENER BASTARD
    Lester stand lange auf der obersten Stufe der Vortreppe und las diese Nachricht von seiner Verlobten immer wieder. Die Gebetsversammlung? War es das? Glaubte sie etwa, er wäre zu der Gebetsversammlung am Lake Auburn gefahren, um dort irgendein Flittchen zu treffen? In seinem verzweifelten Zustand war das der einzige Gedanke, der überhaupt einen Sinn ergab.

10
     
    Sally wußte, daß er anrufen würde; deshalb hatte sie Irene Lutjens gefragt, ob sie die Nacht bei ihr verbringen dürfte. Irene, fast platzend vor Neugierde, hatte gesagt, ja, natürlich. Irgend etwas machte Sally so schwer zu schaffen, daß sie kaum noch hübsch aussah. Irene konnte es kaum glauben, aber so war es.
    Was Sally anging, so hatte sie nicht die Absicht, Irene oder sonstjemandem zu erzählen, was passiert war. Es war zu furchtbar, zu beschämend. Also weigerte sie sich nahezu eine halbe Stunde lang, auf Irenes Fragen zu antworten. Dann brach die ganze Geschichte zusammen mit einer heißen Tränenflut aus ihr heraus. Irene hielt sie in den Armen und hörte zu, und ihre Augen wurden groß und rund.
    »Schon gut«, tröstete Irene Sally und wiegte sie in ihren Armen. »Schon gut, Sally – Jesus liebt dich, selbst wenn dieser Mistkerl es nicht tut. Und ich auch. Und Reverend Rose auch. Du hast diesem Muskelprotz eine Lektion erteilt, nicht wahr?«
    Sally nickte schnüffelnd, und das andere Mädchen strich ihr übers Haar und gab beruhigende Laute von sich. Irene konnte kaum den nächsten Tag abwarten, damit sie ihre anderen Freundinnen anrufen konnte. Sie würden es einfach nicht glauben! Sally tat Irene leid. Sie tat ihr wirklich leid, aber gleichzeitig war sie irgendwie froh, daß das passiert war. Sally war so hübsch, und Sally war so überaus fromm. Irgendwie war es schön, zu sehen, wie sie zu Boden stürzte und brannte, nur dieses eine Mal.
    Und Lester ist der am besten aussehende Mann in der Kirche. Wenn er und Sally wirklich Schluß machen – ob er dann mich auffordert, mit ihm auszugehen? Manchmal sieht er mich so an, als wüßte er gern, was für Wäsche ich trage, also ist es vielleicht

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