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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Schreibtisch. »Dann müssen die Neuigkeiten wirklich schlecht sein.«
    »Das hört sich an, als wären Sie nicht überrascht.«
    »Bin ich auch nicht.« Er schloß seine Hand wieder zur Faust und benutzte den kleinen Finger, um den zu unterst liegenden Silberdollar zu »forcieren«. Das war ein riskantes Manöver – aber Alan war der Herausforderung gewachsen. Der Silberdollar glitt aus seiner Faust und in den Ärmel hinein. Es gab ein leises Klicken, als er gegen die erste Münze stieß, aber bei einer richtigen Vorstellung würde das Geplauder des Illusionisten dieses Geräusch übertönen. Alan öffnete abermals die Hand, und nun waren nur noch zwei Münzen vorhanden.
    »Vielleicht verraten Sie mir, weshalb Sie nicht überrascht sind«, sagte Henry. Sein Tonfall hörte sich ein wenig gereizt an.
    »Nun, ich habe den größten Teil der letzten beiden Tage damit verbracht, darüber nachzudenken«, sagte Alan. Selbst das war eine Untertreibung. Seit dem Augenblick am Sonntagnachmittag, in dem er gesehen hatte, daß eine der tot am Pfosten des Stoppschildes liegenden Frauen Nettie Cobb war, hatte er kaum noch an etwas anderes gedacht. Er hatte sogar davon geträumt, und das Gefühl, daß die Rechnung einfach nicht aufging, war zu einer nagenden Gewißheit geworden. Und deshalb war er über Henrys Anruf nicht verärgert, sondern erleichtert; er hatte Alan die Mühe erspart, ihn seinerseits anzurufen.
    Er schloß die Faust um die zwei Dollarmünzen in seiner Hand.
    Klick .
    Jetzt war nur noch eine da.
    »Was mißfällt Ihnen?« fragte Henry.
    »Alles«, sagte Alan verdrossen. »Angefangen mit der Tatsache, daß es überhaupt passiert ist. Ich nehme an, was mir am meisten zu schaffen macht, ist der Zeitplan des Verbrechens. Er haut einfach nicht hin. Ich versuche immer wieder, mir vorzustellen, wie Nettie Cobb ihren Hund tot vorfindet und sich dann hinsetzt, um all diese Zettel zu schreiben. Und wissen Sie was? Es gelingt mir einfach nicht. Und jedesmal, wenn es mir nicht gelungen ist, frage ich mich, wieviel von dieser verdammten Angelegenheit mir entgangen ist.«
    Alan ballte seine Hand heftig zur Faust, öffnete sie wieder, und jetzt war keine Münze mehr da.
    »Ich verstehe. Dann ist meine schlechte Neuigkeit vielleicht eine gute Neuigkeit. Es war noch ein anderer beteiligt. Wir wissen nicht, wer den Hund der Cobb umgebracht hat, aber wir sind ziemlich sicher, daß es nicht Wilma Jerzyck war.«
    Alans Füße glitten von seinem Schreibtisch herunter. Die Münzen rutschten ihm aus dem Ärmel und fielen auf die Schreibtischplatte. Eine von ihnen landete auf dem Rand und rollte auf die Kante zu. Alans Hand schnellte blitzschnell vor und packte sie, bevor sie entkommen konnte. »Ich glaube, Sie sollten mir mitteilen, was Sie wissen, Henry«.
    »Wird gemacht. Fangen wir mit dem Hund an. Der Kadaver wurde zu John Palin gebracht, einem Tierarzt in South Portland. Er ist für Tiere, was Henry Ryan für Menschen ist. Er sagt, weil der Korkenzieher ins Herz des Tieres eingedrungen ist und es fast sofort tot war, kann er die Todeszeit ziemlich exakt angeben.«
    »Eine erfreuliche Abwechslung«, sagte Alan. Er dachte an die Romane von Agatha Christie, die Annie dutzendweise gelesen hatte. In diesen Romanen schien es immer einen tatterigen Dorfarzt zu geben, der willens war, die Todeszeit zwischen 16.30 Uhr und Viertel nach fünf anzusetzen. Nach fast zwanzig Jahren im Polizeidienst wußte Alan, daß eine realistischere Antwort auf die Frage nach Zeitpunkt eines Todes »irgendwann in der vorigen Woche – vielleicht« lautete.
    »Ja, das ist es. Jedenfalls sagt Dr. Palin, der Hund wäre zwischen zehn und zwölf Uhr gestorben. Peter Jerzyck hat ausgesagt, daß seine Frau, als er ins Schlafzimmer kam, um sich für die Kirche umzuziehen – kurz nach zehn -, in der Dusche war.«
    »Ja, wir wußten, daß es knapp war«, sagte Alan. Er war ein wenig enttäuscht. »Aber dieser Palin muß, wenn er nicht Gott ist, einen gewissen Irrtums-Spielraum einkalkulieren. Schon fünfzehn Minuten würden ausreichen, damit es für Wilma wieder gut aussieht.«
    »Wirklich? Wie gut sieht es Ihrer Meinung nach für sie aus, Alan?«
    Er überdachte die Frage, dann sagte er verdrossen: »Um Ihnen die Wahrheit zu gestehen, es sieht überhaupt nicht gut für sie aus. Hat es nie getan.« Alan zwang sich, sich hinzusetzen: »Trotzdem – wäre es nicht ziemlich albern, wenn wir den Fall auf der Basis des Gutachtens eines Hundedoktors und einer Lücke von

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