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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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das fast schmerzlich scheue Wesen einer Frau, die beim Klang einer Stimme zusammenfährt, so leise und freundlich diese auch sein mochte, wenn sie aus der Gegend ihres Ellenbogens kam – und lächelte nervös.
    »Missus Cobb, Mr. Gaunt, auch wenn mein Mann schon vor geraumer Zeit verstorben ist.«
    »Es tut mir leid, das zu hören.«
    »Das braucht es nicht. Es ist vierzehn Jahre her. Eine lange Zeit. Ja, ich habe eine kleine Kollektion von Buntglas.« Sie schien fast zu zittern, ungefähr so, wie eine Maus zittert, wenn sich eine Katze nähert. »Nicht, daß ich mir so etwas wie diese herrlichen Stücke hier leisten könnte. Sie sind wunderschön. So müssen die Dinge im Himmel aussehen.«
    »Nun, ich will Ihnen etwas verraten«, sagte er. »Als ich diese Stücke erstand, habe ich eine ganze Menge Buntglas gekauft, und es ist bei weitem nicht so teuer, wie Sie vielleicht meinen. Hätten Sie Lust, morgen vorbeizukommen und einen Blick darauf zu werfen?«
    Sie fuhr abermals zusammen und trat einen Schritt beiseite, als hätte er ihr vorgeschlagen, am nächsten Tag wiederzukommen, damit er sie ein paarmal in den Busen zwicken konnte – vielleicht so lange, bis sie schrie.
    »Oh, ich glaube nicht... donnerstags habe ich immer viel zu tun, müssen Sie wissen... bei Polly... donnerstags stellen wir immer das ganze Haus auf den Kopf, müssen Sie wissen...«
    »Sie sind ganz sicher, daß Sie nicht hereinschauen können?« schmeichelte er. »Polly hat mir erzählt, daß Sie die Torte gebacken haben, die sie mir heute morgen brachte...«
    »War sie in Ordnung?« fragte Nettie nervös. Ihre Augen verrieten, daß sie damit rechnete, daß er nein sagte – nein, sie war nicht in Ordnung, ich habe Bauchschmerzen davon bekommen und einen fürchterlichen Durchfall, und deshalb werde ich dir weh tun, Nettie, ich werde dich ins Hinterzimmer zerren und dich in den Busen zwicken, bis du Zetermordio schreist.
    »Sie war wunderbar«, sagte er beruhigend. »Sie erinnerte mich an die Torten, die meine Mutter zu backen pflegte – und das ist schon sehr lange her.«
    Das war genau der richtige Ton, den man bei Nettie anschlagen mußte. Sie hatte ihre Mutter sehr geliebt, ungeachtet der Prügel, die sie von ihr bezogen hatte, wenn diese Dame, was sie häufig tat, die Nacht in Tanzlokalen und Kneipen verbracht hatte. Nettie entspannte sich ein wenig.
    »Dann ist es ja gut«, sagte sie. »Ich bin wirklich froh, daß sie Ihnen geschmeckt hat. Natürlich war es Pollys Idee. Sie ist so ziemlich die netteste Person, die es gibt.«
    »Ja«, sagte er. »Nachdem ich sie kennengelernt habe, glaube ich das ohne weiteres.« Er warf einen Blick auf Rosalie Drake, aber Rosalie betrachtete nach wie vor die Auslagen. Dann wendete er sich wieder an Nettie und sagte: »Ich habe einfach das Gefühl, daß ich in Ihrer Schuld stehe...«
    »Oh, nein!« sagte Nettie, plötzlich wieder verschreckt. »Sie schulden mir nichts. Überhaupt nichts, Mr. Gaunt.«
    »Bitte schauen Sie herein. Ich kann sehen, daß Sie einen Blick für Buntglas haben – und ich könnte Ihnen Pollys Tortenbehälter zurückgeben.«
    »Ja – nun, ich glaube, ich könnte in meiner Pause kommen...« Netties Augen sagten, daß sie nicht glauben konnte, was sie aus ihrem eigenen Mund vernahm.
    »Wunderbar«, sagte er und verließ sie rasch, bevor sie es sich wieder anders überlegen konnte. Er trat zu den Jungen und fragte sie, ob sie etwas gefunden hätten. Sie zeigten ihm zögernd mehrere alte Ausgaben von The Incredible Hulk und The X-Men. Fünf Minuten später verließen sie den Laden mit den meisten der Comic-Hefte in den Händen und einem Ausdruck fassungslosen Glücks auf den Gesichtern.
    Die Tür hatte sich kaum hinter ihnen geschlossen, als sie schon wieder geöffnet wurde. Cora Rusk und Myra Evans traten ein. Sie schauten sich um mit Augen, so funkelnd und gierig wie die von Eichhörnchen in der Zeit des Nüssesammelns, und steuerten sofort auf die Vitrine zu, die das Foto von Elvis enthielt. Cora und Myra beugten sich darüber, girrten aufgeregt, und schienen sich von dem Anblick überhaupt nicht mehr losreißen zu können.
    Gaunt beobachtete sie lächelnd.
    Das Glöckchen über der Tür bimmelte abermals. Die neu Angekommene war so massig wie Cora Rusk, aber bei Cora war es Fett, und diese Frau wirkte kräftig - auf die Art, auf die ein Holzfäller mit einem Bierbauch kräftig wirkt. An ihrer Bluse trug sie einen großen weißen Button. Die roten Buchstaben

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