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In einer kleinen Stad

In einer kleinen Stad

Titel: In einer kleinen Stad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Benutzers die Farbe von Vulkanasche verlieh, Hundekot aus Plastik.
    Dieses Ding ist immer noch hier. Seit neunzehn Monaten sind sie nun tot, und es ist immer noch hier. Wie in aller Welt konnte ich das übersehen?
    Alan drehte die Dose in seiner Hand um, erinnerte sich, wie der Junge gebettelt hatte, dieses besondere Ding von seinem Taschengeld kaufen zu dürfen; er erinnerte sich, wie er selbst es ihm verweigert und das Sprichwort seines eigenen Vaters zitiert hatte: Ein Narr und sein Geld bleiben nicht lange zusammen. Und wie Annie ihm auf ihre sanfte Art ins Gewissen geredet hatte.
    Also weißt du, du Amateurzauberer, du hörst dich an wie ein waschechter Puritaner. Wundervoll! Was glaubst du denn, von wem er diese verrückte Liebe zu Gags und Tricks geerbt hat? In meiner Familie hing bei niemandem ein gerahmtes Foto von Houdini an der Wand, das kannst du mir glauben. Willst du etwa behaupten, daß du in den heißen, wilden Tagen deiner Jugend nie das eine oder andere Tröpfelglas gekauft hast? Daß du nicht ganz versessen darauf gewesen wärst, diesen uralten Trick mit der Schlange in einer Nußdose zu besitzen, wenn du ihn irgendwo in einem Schaufenster entdeckt hättest?
    Er hatte einen Haufen von Ja und Aber von sich gegeben, sich angehört wie ein aufgeblasener Schwätzer, der keinen Spaß versteht. Schließlich hatte er die Hand vor den Mund halten müssen, um ein verlegenes Grinsen zu verbergen. Annie hatte es trotzdem gesehen. Annie sah immer alles. Das war ihre Gabe gewesen – und mehr als einmal seine Rettung. Ihr Sinn für Humor – und auch ihre Fähigkeit, die Dinge im richtigen Verhältnis zu sehen – waren immer besser gewesen als seine. Schärfer.
    Gönn es ihm, Alan – er ist nur einmal jung. Und es ist wirklich irgendwie lustig.
    Er hatte zugestimmt. Und -
    - und drei Wochen später hatte er seinen Milchshake auf dem Sitz verschüttet, und abermals vier Wochen später war er tot! Sie waren beide tot! Wow! Stell dir das vor! Die Zeit vergeht wahrhaftig wie im Fluge, nicht wahr, Alan? Aber mach dir deshalb keine Sorgen! Mach dir keine Sorgen, weil ich dich immer wieder daran erinnern werde! jawohl! Ich werde dich daran erinnern, denn das ist mein Job, und den werde ich erledigen!
    Auf der Dose stand TASTEE-MUNCH MIXED NUTS. Alan drehte den Deckel ab, und anderthalb Meter zusammengepreßte grüne Schlange schnellte heraus, prallte gegen die Windschutzscheibe und landete auf seinem Schoß. Alan betrachtete sie, hörte in seinem Kopf das Lachen seines Sohnes, und begann zu weinen. Sein Weinen war undramatisch, lautlos und erschöpft. Wie es schien, hatten seine Tränen viel gemeinsam mit den Besitztümern seiner toten Lieben; es war nie ein Ende abzusehen. Es waren zu viele, und gerade wenn man anfing, sich zu entspannen, und zu denken, es wäre endlich vorbei, die Bude wäre sauber, dann fand man noch eines. Und noch eines. Und noch eines.
    Warum hatte er zugelassen, daß Todd dieses verdammte Ding kaufte? Warum steckte es immer noch in diesem verdammten Handschuhfach? Und warum war er überhaupt mit diesem verdammten Town and Country-Wagen gefahren?
    Er zog sein Taschentuch aus der Gesäßtasche und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann drückte er die Schlange – billiges grünes Kreppapier mit einer darin verborgenen metallenen Sprungfeder – langsam wieder in die falsche Nußdose. Er schraubte den Deckel wieder auf und ließ die Dose nachdenklich auf seiner Hand hüpfen.
    Wirf das verdammte Ding fort.
    Aber er glaubte nicht, daß er das fertigbrachte. Jedenfalls nicht heute abend. Er warf den Scherzartikel – den letzten, den Todd je in dem Geschäft gekauft hatte, das er für den schönsten Laden der Welt hielt – wieder ins Handschuhfach und knallte die Klappe zu. Dann langte er abermals nach dem Türgriff, nahm seine Aktentasche und stieg aus.
    Er atmete tief die frühabendliche Luft ein, hoffte, daß sie helfen würde. Sie tat es nicht. Er konnte zersetztes Holz riechen und Chemikalien, einen faden Geruch, der regelmäßig von der rund dreißig Meilen weiter nördlich gelegenen Papierfabrik in Rumford herüberwehte. Er würde Polly anrufen und sie fragen, ob er vorbeikommen dürfte, beschloß er – das würde ein wenig helfen.
    Nie wurde ein wahrerer Gedanke gedacht! pflichtete die Stimme seiner Depression nachdrücklich bei. Erinnerst du dich übrigens, Alan, wie er sich über diese Schlange gefreut hat? Er hat sie bei allen Leuten ausprobiert! Norris Ridgewick hätte vor

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