In eisigen Kerkern (German Edition)
stieß sie auf und drückte sich in die Küche. Sie sah Teller mit Wurst- und Käsebroten, mit unbelegten Broten, sah leere Wurst- und Käseverpackungen – aber keinen Andi.
„Hehehe!“, brüllte die Bedienung von unmittelbar hinter ihr. Nelli wurde am Arm gepackt und herumgerissen.
„Also wie hammers denn, sofort raus da!“
Nelli wollte sich aus dem Griff befreien, aber die stämmige Person hielt sie eisern fest und zog sie mit Gewalt durch die Tür zurück in die Wirtsstube.
Auf einmal war es ruhig, alle Kinder und der Lehrer starrten in ihre Richtung, und Nelli stieg die Schamesröte ins Gesicht.
„Ich hatte nicht die Absicht...“, setzte Nelli an.
„Sie ham gor nix außer Hausverbot! Schauns, dass hier rauskemma, Sie abgerissns Luder!“
Ihr Arm steckte wie in einem Schraubstock. Nelli stemmte sich mit aller Kraft gegen den Griff, aber das führte nur dazu, dass ihr die Bedienung den Arm auf den Rücken drehte und sie brutal zum Ausgang stieß.
„Die wollte vorhin in die Werkstatt einbrechen und die Harley klauen!“, rief einer der Jungs aus der Anonymität der Klasse heraus.
„Ah, so is des!“
„Ich will sofort mit Andi sprechen!“
„Sie plaudern höchstens mit der Gendarmerie.“
Die Bedienung schaffte es spielend, mit der einen Hand die Tür zu öffnen, während sie mit der anderen Nelli unvermindert brutal im Polizeigriff hielt. Das war’s dann mit der Mitfahrgelegenheit im Bus, dachte Nelli lakonisch, während sie kurz Augenkontakt mit dem Lehrer hatte. Sein Blick verriet, wie die Gesichter der Kinder, gleichermaßen Abscheu und Faszination.
„Sie wollen doch nicht wirklich die Polizei rufen“, spielte Nelli die Entsetzte, während sie auf die Haustür zugestoßen wurde.
„Woraufs eana verlossn kenna!“
„Haben Sie also... Aua, nicht so brutal, verdammt noch mal! Haben Sie etwa...“
Ein heftiger Stoß, ihr Arm war frei. Nelli taumelte ins Freie und hatte zu tun, dass sie nicht stürzte. Sie drehte sich um und sah gerade noch, wie die Bedienung verschwand.
„Haben Sie etwa doch ein Telefon hier oben?“, schrie sie ihr hinterher.
Aber die Tür war schon zu. An den Fenstern hing die halbe Schulklasse. Nelli sah erstaunte, fassungslose und auch genug schadenfrohe und belustigte Gesichter.
Also wirklich, das war mit Abstand der beschissenste Tag der ganzen Reise.
Wenn sie nur gekonnt hätte, Nelli wäre auf ihr Fahrrad gestiegen und hätte die Räder laufen lassen.
Aber sie saß fest und wusste nicht, was sie tun sollte.
Inzwischen musste es auf Mittag zugehen. Ihre Tagesetappe konnte sie endgültig abschreiben. Tagesziel war es nun, ihre Sachen zurückzubekommen.
Wut auf den Dieb kam in ihr hoch, eine Scheiß-Wut auf die gemeine Hinterhältigkeit, eine bewusstlose, verletzte Frau zu bestehlen – aber auch rasende Wut auf den unnötigen Sturz, diese Verkettung von Zufällen, die sich nun zum größten Hindernis der ganzen Reise auswuchs.
Löse das Problem, sagte sie sich, um zur Ruhe zu kommen. Aber verflucht noch mal, Ruhe war jetzt fehl am Platz! Jetzt kam es drauf an zu handeln.
Wo war Andi wohl, wenn nicht in der Küche?
Der Brotbelag schien ausgegangen zu sein. Und von woher kam der Nachschub?
Über den Lift!
Nelli stürmte los und umrundete das Haus. Die Hintertür war angelehnt, und an der Liftstation 20 Meter gegenüber tat sich etwas. Sie hörte ein Rumoren, und die Doppelsessel schaukelten leicht. Volltreffer!
Sie war auf zehn Meter an die Station heran, da ging eine Tür auf, und der langhaarige Wirt kam mit einer Holzkiste in den Händen heraus. Als er Nelli sah, lächelte er, und ihre Wut löste sich in Luft auf.
„Tut mir leid, du wartest auf dein Essen“, rief er ihr entgegen, „aber mir ist diese Schulklasse dazwischengekommen, und dann sind mir auch noch Wurst und Käse ausgegangen.“
„Und da hast du schnell mal im Tal angerufen und nachbestellt.“
Sein Lächeln gefror.
„Nein. Die Lieferung wird immer in der Früh hochgeschickt. Ich war nur noch nicht dazu gekommen, die Kiste in die Küche rüberzuholen.“
Nebeneinander gingen sie vom Lift zur Hinterseite des Gasthauses.
„Funktioniert der Lift von hier aus?“
„Nein, der Antrieb ist im Tal. Hier oben haben wir nur eine Umlaufrolle ohne Motor.“
„Aha. Übrigens, deine Schlammcatcherin von Thekenkraft hat mich aus dem Haus geworfen und mir dabei fast den Arm ausgekugelt.“
„Was?“
„Ja, weil ich in der Küche nach dir schauen wollte. Und dabei hat sie gedroht,
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