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In eisigen Kerkern (German Edition)

In eisigen Kerkern (German Edition)

Titel: In eisigen Kerkern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Köhler
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schaffen Sie sich doch ein Handy an.“
    „So weit kommt’s noch. Übernehmen Sie vielleicht die Kosten?“
    Wieder dieses Schnaufen, diesmal eher belustigt.
    „Sie werden sich doch wohl ein Handy leisten können.“
    „Nein, kann ich nicht. Ich bin schlichtweg pleite. Die Krankenhauskosten haben meine letzten Reserven verbraucht.“
    „Warten Sie...“
    „He!“
    Nelli hörte es am anderen Ende rascheln.
    „So, ich musste nur die Nummer suchen. Haben Sie was zum Schreiben?“
    „Wozu?“
    „Weil ich Ihnen schon heute früh was durchgeben wollte.“
    „Was?“
    „Eine Nummer, die Ihnen Geld bringen kann.“
    Nelli wurde sofort hellhörig. Der Mangel an Geld war ihr akutes Hauptproblem. Erst wenn sie wusste, wie sie sich die nächsten Tage ernähren konnte, würde sie den Kopf frei haben, um über die eigentliche, die zentrale Frage ihres Lebens nachdenken zu können: wie es nun nach Rückkehr, abgebrochenem Neuaufbruch und abermaliger Rückkehr weitergehen sollte. Einfach wieder ins Blaue zu radeln, so wie sie es heute Morgen noch vorgehabt hatte, war keine Lösung. Oder doch? Wie oft war die Lösung eines Problems unterwegs wie von selbst gekommen. Vielleicht war auch das eine solche spontane Lösung.
    „Moment...“
    Nelli zerrte am Reißverschluss ihrer rechten Packtasche, griff hinein und ertastete einen ihrer Kugelschreiber.
    „Also los.“
    Sie kritzelte eine Reihe von Zahlen auf den Kassenzettel unter die Nummer des Polizisten, dahinter den Namen Herolder, hielt beim Weiterschreiben inne und rief empört:
    „Von was, wie heißt das? Von Frau zu Frau ? Das klingt mir verdammt nach einem Klatsch- und Tratschblatt!“
    „Ist es auch. Eines der schlimmsten. Aber die bieten viel Geld für Ihre Story: 100.000 Euro.“
    „100.000? Pfff!“
    „Und ich kann Ihnen sagen, da ist auch mehr drin, vielleicht viel mehr. Sie glauben nicht, was hier schon alles angerufen hat und Kontakt zu Ihnen wollte, Presse aus aller Herren Länder. Die Geschichte sickert jetzt erst so richtig durch, und Sie sind ja nicht irgendein Opfer, sondern haben diese nicht gerade alltägliche Vorgeschichte.“
    „Trotzdem, nein. Ich kann doch nicht diese ganze scheußliche Angelegenheit in der Öffentlichkeit... - Hallo?“
    Die Verbindung war weg. Nelli hatte das Klicken nicht gehört. Sie nahm überhaupt nichts wahr, nicht den Verkehrslärm am Postplatz hinter sich, nicht die Hitze der prallen Mittagssonne.
    100.000 Euro, das wäre weit mehr als sie bei Beginn ihrer siebenjährigen Fahrradweltreise gehabt hatte. Damit könnte sie für zehn weitere Jahre abhauen, mindestens. Und was danach kam, würde sich schon zeigen.
    Aber einer Klatschreporterin ihre Geschichte erzählen? Ihr Privatleben vor ihrem Ausstieg, ihre Reiseerlebnisse, die Horrornacht mit Andi in seiner einsamen Passwirtschaft. Die Schmerzen, die Todesangst. Der Zusammenbruch, der Dämmerzustand im Krankenhaus, die medikamentenbedingten Alp- und Wachträume. Die Schuldgefühle.
    Nelli störte nicht mal so sehr, dass ihre privaten Erlebnisse zur Grusel- und Rührstory verkitscht für Herzschmerz sorgen würden. Davon würde sie nichts mitbekommen.
    Aber Monika würde es mitbekommen.
    Nelli strich die Zahlenkolonnen und den Namen mit entschlossenen Kugelschreiberstrichen durch, knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in den nächsten Abfallbehälter.
    Entschlossen packte sie ihr Fahrrad und drehte es in Richtung Marienstraße und damit in Richtung Oberkotzau, Förmitztalsperre, Fichtelgebirge.
    Einbahnstraße.
    Na und?
    Aber vielleicht war das ein Zeichen.
    Wohin dann, wenn nicht gen Süden? Richtung Schleizer Straße? Mal in den Norden, durch die neuen Bundesländer, an die Ostsee? Eine Fähre nehmen, vielleicht das Nordkap besuchen?
    Der amerikanische Norden war schön gewesen, Alaska einfach ein Traum. Der europäische Norden reizte sie. Vielleicht war das die innere Stimme, das Aufbruchssignal, auf das sie gewartet hatte.
    Zögernd, gar nicht wie Aufbruch, aber doch sehr entschieden schob Nelli ihr Fahrrad bei Rot über den Zebrastreifen auf die andere Straßenseite, schwang sich auf den Sattel und ließ sich die Lessingstraße hinunter nach Norden rollen.
     
    So lustlos wie noch nie erledigte Nelli ihre allabendlichen Verrichtungen, packte das Zelt aus, stellte es auf, rollte ihren Schlafsack darin aus, gruppierte Feldsteine zu einem kleinen Kreis, baute ihren Campinghocker davor auf, suchte halbwegs trockenes Holz zusammen, griff nach dem

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