In eisigen Kerkern (German Edition)
nachdachte.
Zurück an den Stelen, steckte sie vier Fünfziger in den Schlitz des Telefonapparates, zog den Supermarktkassenzettel mit der Nummer des Polizisten der Wiener Spezialeinheit heraus, tippte die Vorwahl von Österreich ein und den ganzen langen Rest. Hoffentlich war er gleich am Apparat.
Besetzt.
Die Münzen klimperten durch den Apparat in den Auffangkasten, Nelli entnahm sie, steckte sie gleich zurück und tippte die Zahlenkolonne noch einmal.
Diesmal ertönte das Freizeichen.
„Platzer“, meldete sich mit deutlichem Akzent der Beamte, den sie damals am Gletscher, bei der Bergung von Andis Leiche, als kompetent und freundlich kennengelernt hatte und der sich am Morgen dieses Tages beim Anruf von Oberkotzau aus als das genaue Gegenteil erwiesen hatte. Gott sei Dank war er gleich dran. Es klimperte, als die ersten zwei Fünfziger durchfielen. Nelli, die rechte Hand voller Kleingeld, warf sofort nach.
„Hier Nelli Prenz. Hören Sie, ich hab nicht viel Zeit. Lassen Sie mich erst mal reden, okay.“
„Wenn Sie sich kurz fassen. Ich hab auch nicht viel Zeit.“
„Nach Ihrer Info von heute früh bin ich gleich noch mal umgekehrt, um meine Stieftochter zu warnen. Nur leider ist sie nicht da, und ihre Tante, also ihr bisheriger Vormund, wollte mir nicht sagen, wo sie ist. Ich finde, sie sollte wenigstens informiert werden, dass möglicherweise Gefahr droht, und ich denke auch, das ist das Mindeste, was Sie tun könnten. Sie haben doch ganz andere Möglichkeiten, eine Person ausfindig zu machen. Sie heißt, wie Sie wissen, Monika Prenz, und bei der Tante handelt es sich um Stefanie Holwagen, geborene Prenz. Ich schlage vor, dass Sie...“
„Also, jetzt mal langsam. Vor was soll denn Ihre Stieftochter überhaupt gewarnt werden?“
„Vor was? Na, vor diesem Andi!“
„Frau Prenz, das ist doch...“
„Nein, das ist nicht verrückt. Er...“
„Er lebt nicht mehr. Hundertprozentig.“
„Dann hat jemand die Leiche gestohlen.“
„So sieht es aus.“
„Und wer Leichen von Massenmördern stiehlt...“
Das Geld fiel durch. Nelli beeilte sich, Münzen nachzuschieben. Ihre Hand leerte sich.
„...der ist doch wohl genauso irre und zu allem fähig.“
Nelli hörte ein demonstratives Schnaufen.
„Ich weiß nicht, wie ich es Ihnen erklären soll, Frau Prenz. Aber sehen Sie nicht selbst ein, wie weit hergeholt das ist?“
„Ist es nicht! Wer immer das war, er hat was mit dem Fall zu tun oder will daran anknüpfen. Ich war Andis letztes Opfer, und hätte er mich umgebracht, hätte er sich als Nächstes Monika geholt. Ich finde, es ist bestimmt nicht übertrieben damit zu rechnen, dass dieser andere Typ nun da weiter machen könnte, wo Andi aufgehört hat.“
„Das ist sogar extrem übertrieben. Es wimmelt nämlich auf der Welt zum Glück nicht gerade von Serienmördern, und was mit Ihnen passiert ist, war zu dem Zeitpunkt ja noch gar nicht in der Öffentlichkeit bekannt.“
„Aber jemand wusste es doch!“
Es ratterte in den Eingeweiden des Telefons. Nelli schob zwei weitere Fünfziger nach. Jetzt hatte sie noch zwei.
„Ja, weil in den Ortschaften natürlich geplaudert wurde. Die Bergwachtmänner dort sind ganz liebe, tüchtige Jungs, aber leider auch bekannt dafür, dass sie ihren Mund nicht halten können.“
„Na und?“
„So makaber das ist, es handelt sich höchstwahrscheinlich um einen Streich oder eine Mutprobe. Halbstarke haben von dem Labyrinth im Gletscher gehört, sich Schneid angetrunken, sind mit ihren Mopeds den Berg hoch und haben die Leiche versteckt. Vielleicht hockt der tote Kerl zwei Gänge weiter ganz in der Nähe, und da hockt er vielleicht in 100 Jahren noch. Wir können nicht den ganzen verdammten Gletscher absuchen, zumal sich die betreffende Nische längst geschlossen haben könnte.“
„Also rufen Sie nun bei Stefanie an?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Dann können Sie aber...“
Es ratterte. Nelli steckte ihre letzten Münzen in den Schlitz.
„Was?“
„...jegliche weitere Zeugenaussagen von mir vergessen. Ich lege auf und bin für immer verschwunden.“
Wieder ein Schnaufen, diesmal deutlich mehr wütend als genervt.
„Also geben Sie mir schon die Nummer.“
„Hab ich leider nicht, Sie müssten bitte die Auskunft anrufen. 09281 ist jedenfalls die Vorwahl von Hof.“
„Die Auskunft anrufen, ich hab ja sonst nichts zu tun.“
„Tut mir leid.“
„Aber dafür will ich jetzt eine Nummer von Ihnen.“
„Ich hab keine.“
„Dann
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