In Gottes Namen
verraten, dass bei einem Aufenthalt in Saint Jean Cap Ferrat an der französischen Riviera das Grand Hotel einfach ein Muss ist.
Ich zahle dem Fahrer genügend Euros, um ihn dazu zu bewegen, auf mich zu warten. Dann marschiere ich zu einem großen Tor, das von zwei großen weißen Steinblöcken flankiert wird, und drücke einen in Gold eingefassten Klingelknopf.
»Bonjour«, meldet sich eine Frauenstimme über die Gegensprechanlage.
»Paul Riley«, sage ich. »Ich möchte gerne Gwendolyn Lake sprechen.«
»Ah.« Sie braucht einen Moment, um auf Englisch umzuschalten. »Mister – Riley?«
»Paul Riley, ja.«
»Haben Sie einen Termin?«
»Nein. Sagen Sie ihr bitte, ich bin allein.«
Nach gut zehn Minuten kommt ein Mann die lange Auffahrt heruntergelaufen. Er ist braungebrannt, wirkt sehr gesund und ist ganz in weiß gekleidet. »Mr. Riley?«
»Oui.«
»Bonjour.« Er öffnet eine schmale Pforte und lässt mich ein. Wir steigen eine schier endlos scheinende Freitreppe hinauf, vorbei an gepflegten, üppig blühenden exotischen Blumen und Bäumen. Das Haus selbst ist groß, aber nicht monströs, ein zweistöckiges Ziegelhaus mit vielen Fenstern, die in der hellen Sonne glitzern.
Statt mich ins Haus zu führen, weist er mir den Weg einen Pfad hinab, der sich um das Haus herumwindet, bis wir dessen Rückseite erreichen. Dort befindet sich ein Swimmingpool von den Ausmaßen unseres Trainingsbeckens damals in der Schule, daneben ein großer Whirlpool sowie ein ausgedehnter Liegebereich.
»Ms. Lake«, sagt der Mann.
Das letzte Mal, als ich sie sah, im Salon von Natalias Villa, wirkte sie zerknittert, trug einen Schlafanzug, ihre Haare lagen platt am Kopf an, und sie beichtete mir den Anfang einer belastenden Geschichte. Vier Stunden später ging sie an Bord einer American-Airlines-Maschine mit dem Ziel Paris.
Heute trägt sie einen einteiligen orangefarbenen Badeanzug unter einem dünnen weißen Bademantel und liegt auf einem bequemen Deckstuhl neben ihrem Pool. Ihre Haut hat noch etwas mehr Farbe als bei unserer letzten Begegnung. Ihr Haar trocknet gerade nach dem Schwimmen und fällt ihr offen über die Schultern. Sie späht über ihre Sonnenbrille zu mir hoch.
Sie begrüßt mich nicht, bietet mir weder einen Stuhl noch sonst etwas an.
»Ich weiß nicht, was Natalia Ihnen erzählt hat«, beginne ich, »aber vermutlich hat sie keine Anklage zu befürchten. Sie hat Glück gehabt.«
Nachdem sie ihr Buch zur Seite gelegt hat, setzt sie sich auf und stellt die Füße auf den Holzboden.
»Es hat mich sogar ein wenig überrascht, dass sie der Polizei erzählt hat, ihre Tochter hätte Ellie getötet. Das hätte sie nicht tun müssen. War das Ihre Idee?«
Sie schweigt immer noch und starrt durch ihre Sonnenbrille in die Ferne. Natürlich liege ich richtig. Natalia hätte nie gewollt, dass irgendwer von Cassies Tat erfährt. Lieber hätte sie Terry Burgos, Professor Albany – wen auch immer – als Schuldigen gebrandmarkt.
»Sie haben ihr gedroht, wenn sie es nicht der Polizei sagt, dann würden Sie es tun.«
Wieder keine Antwort, noch nicht mal ein Blick in meine Richtung.
»Sie sind schon mal davongerannt«, sage ich. »Damals. Am Mittwoch in der Mordwoche. Sie sind nach Frankreich geflohen.«
Dieses Thema hatten wir bereits. Aber ich bringe es aus einem bestimmten Grund wieder auf, einem Grund, den sie ganz genau kennt.
»Frankreich liefert seine Staatsbürger nicht an die USA aus«, fahre ich fort. »Roman Polanski kann das bestätigen. Und das ist vermutlich auch der Grund, warum Sie damals verschwanden.«
Keine Antwort.
»Und warum Sie jetzt hier sind.«
Sie schaut zu mir auf.
»Sie wissen«, sage ich, »dass der Mord an Cassie Bentley weiterhin unaufgeklärt ist. Dieser Fall wurde offiziell nicht zu den Akten gelegt. Das ist Ihnen doch klar, oder?«
»Das ist mir klar.« Ihre Stimme klingt dünn und ein wenig trotzig. »Natürlich weiß ich das.«
Und trotzdem ist sie in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt, wenn auch erst drei Jahre später.
»Helfen Sie mir, eine klare Vorstellung von Cassandra Alexia Bentley zu bekommen«, sage ich. »Die verhängnisvolle Affäre mit ihrem Professor. Die Stimmungsumschwünge. Sie findet raus, dass ihr Vater eine weitere Tochter hat, die sie immer für ihre Cousine hielt. Dann auch noch Harlands Affäre mit Ellie. Und irgendwann dreht sie durch. Es ist einfach zu viel für sie. Sie stürmt in Ellies Apartment, nachdem sie ihren Daddy hat heraustreten sehen,
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