In Gottes Namen
den bleichen, sich den Mund wischenden Polizisten von seiner Gasmaske. Er wies ihn an, die Sauerei zu beseitigen und draußen frische Luft zu schnappen. Dann atmete er tief ein und öffnete die Tür.
Sie führte zu einem Treppenhaus, das von unzähligen Fußabdrücken verschmutzt war. Er vermied es, das hölzerne Geländer zu berühren. Als er den Treppenabsatz erreichte, hielt er kurz inne, bevor er die letzten Stufen in Angriff nahm.
Unten im Kellergeschoss entdeckte Riley nur zwei Streifenbeamte. Einer von ihnen stand im stillgelegten Aufzug. Offensichtlich war die Hektik der Spurensicherung schon vorüber.
Der Kellerflur war breit, auf beiden Seiten gähnten schwere Eisentüren, einige der Lagerräume hatte man bereits erfolglos durchsucht. Auf dem Weg den Gang hinunter zum letzten, entscheidenden Raum merkte Riley, wie sich seine Schritte unwillkürlich verlangsamten.
Er wappnete sich innerlich, bevor er den Fuß über die Schwelle der letzten Tür setzte.
Ein großer Raum mit Reihen von verschlossenen Spinden und Regalen, in denen sich Chemikalien und Putzmittel stapelten. Es gab Schrubber, Besen und einen überdimensionierten Abfalleimer, an dem Sprayflaschen mit lila und blau gefärbten Reinigungsflüssigkeiten hingen. Und auf dem nackten Boden, sorgsam aufgereiht, die Arme am Körper, die Beine eng zusammen, lagen sechs Leichen.
Es war schwer zu erklären. Zwar hieß es immer, bestimmte Dinge könnte man nicht in Worte fassen. Aber das traf es nicht. Er wusste einfach nicht, wo er anfangen und wo er aufhören sollte. Er hatte Fotos von Dachau und Auschwitz gesehen, aber das waren Bilder gewesen, die das Grauen nur in zwei Dimensionen einfingen. Jetzt versuchte er, sich diese Erfahrung zunutze zu machen, als eine Art Abwehrmechanismus; versuchte, diese sechs grausam entstellten Mädchen zu betrachten wie ein Foto in einem Buch und den Aufruhr in seinem Magen und das durch den Körper pulsende Adrenalin zu ignorieren. Er bemühte sich, ruhig zu atmen, klar und analytisch zu denken.
Das erste Opfer war blond, ein junges und dem oberflächlichen Eindruck nach ausgesprochen hübsches Mädchen, auch wenn die gelbliche Färbung ihrer Haut sie eher wie eine Wachsfigur wirken ließ. Die tiefe Platzwunde an ihrem Hinterkopf war aus seinem momentanen Blickwinkel kaum zu erkennen. Unübersehbar dagegen war die Wunde in ihrem Brustkorb, dort, wo früher ihr Herz geschlagen hatte. Der Ausdruck Wunde traf es allerdings nicht ganz. Vielmehr schien ihr das Leben selbst mit äußerster Brutalität entrissen worden zu sein.
Zweites Opfer: Der Schnitt in ihrem Hals klaffte so tief, dass es aussah, als würde der Kopf gänzlich abfallen, wenn man sie anhob. Auch ihre Haut war bleich und wächsern. Auf Riley wirkte sie mehr wie eine Schaufensterpuppe und weniger wie ein Mensch; aber vielleicht war auch das nur eine Art Abwehrmechanismus seinerseits. Möglicherweise war es für den Moment leichter, die Frauen als bloße Objekte zu betrachten. So wie es auch die Angreifer taten.
Das Opfer neben ihr war ebenfalls nackt. Ihr ganzer Körper war von Säure verbrannt, bis hinab zu den Händen und Füßen. Die Gesichtshaut hatte sich abgeschält, der blanke Schädelknochen ragte hervor, und die Augäpfel starrten gespenstisch aus ihren Höhlen. Man würde sie mit Hilfe eines Gebissabdrucks identifizieren müssen. Und möglicherweise befand sich an ihrer einen Hand noch ausreichend Haut für einen Fingerabdruck.
Der Tod des vierten Opfers schien weniger lange zurückzuliegen als bei den vorigen drei. Die Haut besaß noch einen Anflug natürlicher Färbung, dennoch war auch sie nach Rileys Einschätzung nicht erst kürzlich gestorben. Ihre Arme und Beine waren abgetrennt worden, ruhten jedoch wieder an ihrem ursprünglichen Ort, wie bei einer zerrissenen Gliederpuppe. Ihre Augenhöhlen waren blutige Löcher. Die Augäpfel waren mit einem stumpfen Gegenstand herausgehebelt worden.
Die Augen des fünften Opfers waren weit aufgerissen, ebenso ihr Mund, und die geplatzten Äderchen an Hals und Gesicht ließen auf Erstickungstod schließen.
Das letzte Opfer schien auch das frischeste zu sein, wie Riley aus der Farbe der Haut schloss – und weil die Anordnung der Leichen offenbar einer Chronologie folgte. Ihr Gesicht war von Schlägen verunstaltet, die vor dem Tod erfolgt sein mussten, die Nase war mehrfach gebrochen, die Knochen über Augen und Wangen zertrümmert, die Schädeldecke zu Brei geschlagen. Ihr dunkles Haar, verklebt
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