In Liebe, dein Mörder: Thriller (German Edition)
doch, kleine Lady. Das will ich wissen.«
»Ich würde mich ärgern, dass du mich nicht eingeladen hast, dabei zu sein.«
Er verschluckte sich fast und hustete. »So sehr hasst du diesen Mann?«
Nun war sie es, die den Mann anstarrte. »Hast du überhaupt eine Ahnung, Vincent? Wie das ist, wenn so ein Wichser einem die Familie nimmt? Wenn du ansehen musst, wie die eigene Mutter bald dabei draufgeht? Hast du überhaupt eine Ahnung, was Einsamkeit bedeutet?« Nun liefen ihr die Tränen, und Vincent zauberte aus einer Schublade ein Taschentuch, das er ihr reichte.
»Oh ja, Eva. Ich habe eine Ahnung.«
»Du?« Ihre Stimme wurde schrill »Du hattest immer alles, was du dir gewünscht hast. So hast du es uns erzählt. Gute Eltern, genug Geld, die besten Schulen und alles.«
»Und alles ...«, echote Vincent.
»Hast du eigentlich schon mal gehasst in deinem Leben? Weißt du, wie sehr dich dieses Gefühl zerfrisst? Wenn es dir den Schlaf raubt? Wenn du weinen willst, und keine Tränen kommen? Weißt du das?«
Er nickte langsam. »Ja, das weiß ich.«
»Dann wirst du mich verstehen, oder?« Sie sah ihn bittend an, als fordere sie Absolution.
»Ja, ich begreife dich, Eva. Aber erst dann, wenn du mir die Wahrheit gesagt hast. Wenn du mich nicht belügst, wenn du dich nicht mehr selbst belügst!«
»Ich habe dir alles gesagt, Scheiße!«
»Du lügst!«
»Was willst du noch wissen?« Nun heulte sie fast.
»Warum hast du nach dem Tod deines Vaters und deiner Mutter nicht weinen können?«
»Ich. Weiß. Es. Nicht!«
»Du weißt es«, sagte er kalt.
»Nein!«
»Dann will ich es dir sagen, junge Lady. Der Tod der beiden geht dir am Arsch vorbei. Es geht dir lediglich darum, dass du dich für ihren Tod schuldig fühlst. Es geht ausschließlich um dich. Darum, dass du deine Seele, dein schlechtes Gewissen reinigst. Deine Mutter sagte mir, du hättest gezetert und getobt, damit dein Vater dich zuhause ließ. Also tat er es und nahm nur deinen Bruder mit. Damit kommst du nicht klar. Für dich ist es, als hättest du die beiden in den Tod geschickt. Du willst die Schuld loswerden, nichts anderes. Vielleicht kannst du endlich trauern, wenn das geschehen ist. Aber so weit bist du noch nicht. Und deshalb pflegst du einen Grimm, der heillos ist. Deshalb würde es dir nichts ausmachen, zuzuschauen, wie ein Mann gepfählt wird, der das Unglück hatte, einen verdammten Fehler zu begehen, weil er geil war und nicht Böses wollte.«
Eva starrte den Unternehmer an, als sehe sie einen Geist. Sie blickte ihm in die Augen, die leicht bebenden Nasenflügel, das Schmunzeln in den Mundwinkeln.
»Du warst es«, murmelte sie. Ihr Herz krampfte sich zusammen. »Du warst es, Vincent. Irgendwo unten im Keller hast du es getan. Deshalb die Bücher und die Blutflecken.«
Er antwortete nicht, stattdessen lehnte er sich zurück, griff in ein Etui und zündete sich einen Zigarillo an. Es sah aus, als genieße er die Situation. Trotzdem konnte er nicht anders, als seine Augen zum Bücherregal wandern zu lassen, wo sein Blick an vier oder fünf Buchrücken hängen blieb. Er räusperte sich und schüttelte den Kopf.
»Du bist krank, junge Lady.«
»Falls ich nicht falsch liege, sind wir beide krank, Vincent Padock.«
»Niemand auf der ganzen Welt käme auch nur ansatzweise auf den Gedanken, mich zu beschuldigen. Weißt du eigentlich, wer ich bin?«
»Ich weiß alles über dich.«
»Nein, Mädchen, das weißt du nicht.«
»Zumindest alles, was ich im Internet erfahren habe.«
Er nickte zufrieden. »Du bist ein schlaues Kind.«
»Deshalb hast du Mom alleine im Bett gelassen und bist, als du etwas hörtest, mir in den Keller gefolgt. Du wolltest nicht, dass ich etwas Geheimes entdecke.«
»Jeder, dem du das erzählst, würde dich auslachen und meinen, es sei an den Haaren herbeigezogen, völlig unglaubhaft.«
»Ich weiß es. Ich sehe es dir an.«
Er kniff die Augen zusammen. »HSP?«
»Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
»Es würde mich nicht wundern, wenn bei dir eine Hochsensibilität diagnostiziert würde, wenn du eine Hochsensible Persönlichkeit bist, daher die Abkürzung.«
»Was bedeutet das?«, fragte Eva verzweifelt. Sie fühlte sich wie ein Kind. Sie hatte Angst.
»Es gibt das intuitive, automatische Denken und das bewusste, langsame, logische Denken. Problematisch ist, dass das intuitive Denken viel schneller abläuft, als das logische. Intuition ist noch unser Steinzeiterbe. Da war es wichtig, blitzschnell zu
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