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In meinem Himmel

Titel: In meinem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Sebold
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Samuel hatte Lindsey und Buckley meine Eltern allein aus dem Krankenhaus abholen lassen. Es würde eine zweifache Heimkehr für sie sein. Meine Mutter war achtundvierzig Stunden am Stück bei meinem Vater geblieben, während derer sich die Welt für sie und für andere verändert hatte und sich, das sage ich jetzt, immer und immer wieder verändern würde. Es gab keine Möglichkeit, das aufzuhalten.
    »Ich weiß, wir sollten nicht zu früh anfangen«, sagte Grandma Lynn, »aber welches Gift wollt ihr, Jungs?«
    »Ich dachte, wir halten uns an Champagner«, sagte Samuel.
    »Das tun wir später«, sagte sie. »Jetzt biete ich einen Apéritif an.«
    »Ich glaube, den lasse ich aus«, sagte Samuel. »Ich trinke was zusammen mit Lindsey.«
    »Hal?«
    »Ich muss Buck das Schlagzeugspielen beibringen.«
    Grandma Lynn äußerte sich nicht zu der fragwürdigen Enthaltsamkeit bekannter Jazz-Größen. »Wie wär's dann mit drei spritzigen Gläsern Wasser?«
    Meine Großmutter zog sich in die Küche zurück, um die Getränke zu holen. Ich hatte sie nach meinem Tode lieber gewonnen als je auf Erden. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sie in diesem Augenblick in der Küche beschloss, mit dem Trinken aufzuhören, doch ich erkannte, dass das Trinken ein Teil dessen ausmachte, was sie war. Wenn das Schlimmste, was sie auf Erden hinterließ, ein Vermächtnis alkoholgetränkten Beistandes war, so war das für mein Empfinden ein gutes Vermächtnis.
    Sie trug das Eis von der Kühltruhe zum Ausguss und prasste mit den Würfeln. Sieben in jedes hohe Glas. Sie ließ den Wasserhahn laufen, damit das Wasser so kalt wie möglich war. Ihre Abigail würde wieder nach Hause kommen. Ihre merkwürdige Abigail, die sie liebte.
    Doch als sie aufschaute und durchs Fenster blickte, hätte sie schwören können, ein junges Mädchen zu sehen, das die Kleidung ihrer Jugend trug und vor Buckleys Gartenschuppen-Fort saß und ihren Blick erwiderte. Im nächsten Moment war das Mädchen verschwunden. Sie schüttelte es ab. Es war ein geschäftiger Tag. Sie würde niemandem davon erzählen.
    Als das Auto meines Vaters in die Einfahrt bog, fragte ich mich, ob ich hierauf gewartet hatte, auf die Heimkehr meiner Familie, nicht mehr zu mir, sondern zueinander, in meiner Abwesenheit.
    Mein Vater sah in dem nachmittäglichen Licht irgendwie kleiner aus, aber seine Augen hatten einen dankbaren Ausdruck wie seit Jahren nicht mehr.
    Meine Mutter ihrerseits glaubte mehr und mehr, dass sie es womöglich überleben würde, wieder zu Hause zu sein.
    Alle vier stiegen gleichzeitig aus. Buckley kam von der Rückbank nach vorn, um meinem Vater zu helfen, mehr, als vielleicht nötig war, vielleicht auch, um ihn vor meiner Mutter zu beschützen. Lindsey schaute über die Motorhaube hinweg ihren Bruder an - ihr gewohnheitsmäßiger Kontrollmechanismus war nach wie vor in Betrieb. Sie fühlte sich verantwortlich, ebenso wie mein Bruder, ebenso wie mein Vater. Und dann drehte sie sich um und sah, dass meine Mutter sie anblickte, das Gesicht beschienen von dem gelblichen Licht der Narzissen.
    »Was ist?«
    »Du bist der Mutter deines Vaters wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte meine Mutter.
    »Hilf mir mit dem Gepäck«, erwiderte meine Schwester.
    Gemeinsam traten sie an den Kofferraum, während mein Bruder meinen Vater den Weg zur Haustür entlangführte.
    Lindsey starrte in das Dunkel des Kofferraums. Sie wollte nur eines wissen.
    »Wirst du ihm wieder wehtun?«
    »Ich werde alles versuchen, es zu vermeiden«, antwortete meine Mutter, »aber keine Versprechungen diesmal.« Sie wartete, bis Lindsey aufschaute und sie ansah, ihr Blick eine Herausforderung wie die Blicke eines Kindes, das schnell groß geworden, schnell gerannt ist seit dem Tag, an dem die Polizei gesagt hatte, zu viel Blut in der Erde, Ihre Tochter/deine Schwester ist tot.
    »Ich weiß, was du getan hast.«
    »Ich bin gewarnt.«
    Meine Schwester hob die Tasche heraus.
    Sie hörten jemanden rufen. Buckley kam auf die vordere Veranda gerannt. »Lindsey!«, sagte er, sein ernstes Selbst vergessend, sein schwerer Körper voller Schwung. »Schau dir an, was Hal mir geschenkt hat!«
    Er trommelte. Und er trommelte und trommelte und trommelte. Und Hal war der Einzige, der nach fünf Minuten immer noch lächelte. Alle anderen hatten einen Blick auf die Zukunft erhascht, und die war laut.
    »Ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, ihn mit dem Besen bekannt zu machen«, sagte Grandma Lynn. Hal gehorchte.
    Meine Mutter

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