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In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren.

Titel: In Sachen Kain und Abel. Neue Satiren. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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Höhepunkt bzw. Wahrzeichen der neueren israelischen Literatur, und das Buch wurde nicht gekauft.
    Jakobs Nerven begannen zu versagen. Als er eines Tages im Autobus saß und von einem vollbärtigen Fahrgast aufgefordert wurde, seinen Sitzplatz an eine ältere Dame abzutreten, reagierte er äußerst unwirsch. Das fiele ihm gar nicht ein, sagt er, es hätte ja auch niemand seinen Roman »Der Moosmacher« gekauft, und warum sollte er sich den Menschen dafür noch gefällig zeigen. Der Vollbart - der, was Jakob nicht wußte, ein führender israelischer Literaturkritiker und obendrein mit der betreffenden Dame verheiratet war - erwiderte nichts, stieg aus, erwarb ein Exemplar des »Moosmachers« und schrieb eine vernichtende Kritik:
    »...Es ist ein erbärmlicher Einfall«, hieß es dort unter anderem, »aus einem israelischen Soldaten, einem der heldenhaften Verteidiger unseres Vaterlands, einen Betrüger zu machen. Davon abgesehen, hat Herr Schreibermann keine Ahnung vom Aufbau eines Romans, wie ihm ja überhaupt die Kenntnis aller akzeptierten Regeln und Gepflogenheiten abgeht. Er gehört offenbar zu jener jungen Generation, die nicht einmal soviel Lebensart besitzt, im Autobus älteren Damen Platz zu machen. Und von solchen Leuten müssen wir uns etwas erzählen lassen!«
    Nach der Lektüre dieser Kritik wollte Jakob Schreibermann aus dem Fenster springen. Erst als er auf dem Fensterbrett stand, erkannte er die Zwecklosigkeit seines Vorhabens: Er wohnte ebenerdig. Also setzte er sich hin und schrieb einen 26 Seiten langen Entschuldigungsbrief an den bärtigen Kritiker, flehte ihn an, ihm noch eine letzte Chance zu geben, er würde von jetzt an immer im selben Bus mit ihm fahren und der verehrten Gattin des verehrten Literaturpapstes pausenlos seinen Sitz anbieten, nur möge jener um Himmels willen davon ablassen, ihn öffentlich zu zerfleischen.
    Auf dem Weg zum Postamt widerfuhr dem von Panik Erfaßten ein Wunder. Der Buchhändler an der Ecke teilte ihm mit, daß er bereits vier Exemplare des »Moosmachers« verkauft hätte, und das grenzte nach israelischen Begriffen an einen Bestseller.
    Jakob wurde von einem wilden Freudentaumel erfaßt und zerriß den Brief.
    Noch in derselben Woche fand er sich einem weiteren Angriff ausgesetzt. Ein anderer führender Kritiker, erbost darüber, daß er den »Moosmacher« nicht als erster verrissen hatte, schrieb eine noch bösere Kritik, bezeichnete den Roman als schnödes Machwerk und den Autor als Schandfleck der Nation, warnte vor den demoralisierenden Folgen solcher Bücher und gab abschließend der Hoffnung Ausdruck, daß sich für Jakob Schreibermann in Hinkunft kein Verleger finden würde.   Diesmal dachte Jakob nicht mehr daran, aus dem Fenster zu springen. Hatte ihn doch der Buchhänder an der Ecke informiert, daß der Verkauf des »Moosmachers« um sechs weitere Exemplare angestiegen sei - ein in der Literaturgeschichte Israels einmaliges Ereignis, das eine Wende in der Haltung des lesenden Publikums zu signalisieren schien. Tatsächlich beantwortete der Verleger, dem er zufällig auf der Straße begegnete, Jakobs Gruß mit einem freundlichen »Hallo, wie geht's?«
    Der Trend hielt an.
    Wenige Wochen später wurde Jakob Schreibermann, der ebenso bekannte wie umstrittene Autor, zu einem Meeting der Organisation »BEJ«, des »Bundes Enttäuschter Jugend«, als Hauptredner eingeladen und nahm die Gelegenheit wahr, sich gründlich mit seinen Kritikern auseinanderzusetzen. Er stehe hinter jedem Wort seines Romans, sagte er, und niemand, auch kein noch so einflußreicher Möchtegern-Fachmann, könne ihn davon abbringen, »daß ein demobilisierter Soldat unter bestimmten Umständen durchaus fähig wäre, eine Kibbuzkassa zu veruntreuen.«
    Diese kühnen Worte riefen in der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung hervor, prominente Persönlichkeiten wandten sich in Leserbriefen und Protestversammlungen gegen den Roman, und Jakob bekam den ersten Vorschuß seines Lebens.
    In einer stillen Stunde machte er sich daran, sein Werk nochmals zu lesen und stieß auf einige schlüpfrige Stellen, die er rot anzeichnete und mit der Randbemerkung »Pornographie!!« versah. Dann schleuderte er das Exemplar durch ein offenes Fenster in die Wohnung des angesehenen Literaturkritikers Jehuda Misrachi.
    Die gewünschten Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Im Kulturteil einer allgemein respektierten Wochenzeitschrift erschien aus Jehuda Misrachis Feder ein dreispaltiger Artikel,

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