In seinem Bann
hinein und dann dieses verräterische Zucken seiner Nasenflügel. Das ist ein waschechter Selbstzerstörungstrip.«
»Sie glauben also, Ian nimmt Kokain?«
»Ich will es nicht beschwören, aber ich fürchte, dass es so ist.«
Ich wusste nicht, was ich darauf entgegnen sollte. Es war wie ein Schlag in die Magengrube.
Natürlich hatte ich mich in den letzten zweieinhalb Wochen immer wieder gefragt, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte, hatte gezweifelt, mir Vorwürfe gemacht, mit meinen Prinzipien gehadert und hätte meinen Entschluss oft nur zu gern rückgängig gemacht. Aber nicht ein einziges Mal hatte ich Ian in dieser Angelegenheit als Opfer gesehen. Schließlich war er derjenige mit dem skandalösen Vorleben, mit der exzentrischen Lebensweise, den bizarren Neigungen. Obwohl ich vor Liebeskummer fast verging, hatte ich keinen Augenblick daran gezweifelt, dass es allein seine Schuld war, dass unsere Beziehung auf eine so harte Probe gestellt worden war, an der sie möglicherweise zerbrach. Mehr als einmal hatte ich mich gefragt, ob es ihm überhaupt etwas ausmachte, ob er wenigstens ein kleines bisschen litt, wenn auch ganz gewiss nicht in einer solchen Dimension wie es mich schmerzte.
Dass es ihn derart aus der Bahn geworfen haben sollte, traf mich völlig unvorbereitet.
Von zuhause aus versuchte ich sofort Ian anzurufen, aber sein Handy war abgeschaltet. Ich probierte es immer wieder, die halbe Nacht und am nächsten Tag erneut. Doch ich erreichte ihn nicht.
Ich hatte keine Ahnung, wo auf der Welt er sich befand und ich kannte niemanden, der mit ihm in Kontakt stand. Ich wusste nicht, ob er in dem Land, in dem er sich aufhielt, tatsächlich nicht mit seinem Mobiltelefon telefonieren konnte, ob er nur mit mir nicht sprechen wollte oder ob ihm gar etwas zugestoßen war. Diese Ungewissheit war die Hölle. Ich war zutiefst beunruhigt, machte mir Sorgen und furchtbare Vorwürfe.
Auf den einschlägigen Celebrity-Seiten im Internet kursierte ein Foto von jener Party auf einem Luxusliner im Yachthafen von Monaco mit der Bildunterschrift »Neue Hoffnung für Singlefrauen? Party Animal Ian Reed feiert exzessiv in Monte Carlo – allein!”
Aus dem Begleittext zu einem anderen Bild der Fotostrecke konnte ich entnehmen, dass es sich bei dem südländisch wirkenden Mann, der freundschaftlich den Arm um Ians Schulter gelegt hatte und breit in die Kamera grinste, um den italienischen Yachtbesitzer handelte.
Auf den ersten Blick sah Ian einfach umwerfend aus. Sein ungekämmtes Haar fiel ihm fransig und äußerst sexy ins Gesicht und er trug ein anthrazitfarbenes, sehr weit aufgeknöpftes Hemd, das seine leicht gebräunte und perfekt modellierte Brustpartie erahnen ließ.
Doch bei genauerem Hinsehen erkannte man den bitteren Zug um seine Mundwinkel, die Körperhaltung, die signalisierte, dass er sich dem Blick der Kamera am liebsten entzogen hätte und vor allem die tiefen dunklen Schatten um seine schönen Augen. Seine hohen Wangenknochen stachen fast kantig hervor und betonten seine eingefallenen Wangen, während seine Nasenspitze tatsächlich leicht gerötet wirkte.
Er sah schlecht aus, angegriffen und sehr übernächtigt.
Kapitel 7
Als ich am Donnerstagabend für das Kongress-Wochenende in London packte, war ich nervlich so angespannt, dass ich eher einen Kur-Urlaub nötig gehabt hätte.
Ian hatte weder auf meine Anrufe noch auf meine Kurzmitteilungen reagiert und während ich bereits die zwei vorangegangenen Wochen unter üblem Liebeskummer gelitten hatte, befand ich mich seit nunmehr drei Tagen in diesem nervenzehrenden Gefühlswechselbad der Ungewissheit. Immer wieder rotierten meine Gedanken um die gleichen quälenden Fragen und ließen mich keine Nacht ruhig schlafen.
Dabei brauchte ich im Hinblick auf das Symposium eigentlich einen klaren Kopf. Obwohl ich das Skript für meinen Vortrag natürlich längst verfasst und mein Abstract eingereicht hatte, gab es schließlich noch einiges vorzubereiten.
Nachdem ich meinen Koffer gepackt hatte, checkte ich noch einmal die Sicherungskopie meiner Powerpoint-Präsentation auf dem USB-Stick und sah auch nochmals den Inhalt meiner Messenger-Bag durch – Notebook, Ladekabel, Druckfassung von Abstract und Skript, alles da.
Auch in der Nacht auf Freitag schlief ich kaum und als ich gegen Morgen mit zwei Baldriantabletten sowie einem Glas heißer Milch im Bauch und mit zwei wohlig schnurrenden Katzen am Fußende endlich eindöste, klingelte schon wenig
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